In neun Wochen sind Parlamentswahlen – doch die Parteien rüsten sich schon für den 11. Dezember, für die Bundesratswahlen. In den Wahlen vom Oktober könnten die Grünen die CVP beim Wähleranteil übertrumpfen. Die Forderung nach einem grünen Bundesrat folgt so sicher wie das Amen in der Kirche.
«Wenn wir am Wahlabend die Nase tatsächlich vorn haben, wird der Ruf nach einem Bundesratssitz unüberhörbar», sagt Parteichefin Regula Rytz (57) und macht so den Anspruch der Grünen deutlich.
Eigentlich böte sich der frühere Berner Regierungsrat Bernhard Pulver (54) als Kandidat an, doch noch besser wäre ein halbes Jahr nach dem Frauenstreik eine grüne Bundesratskandidatin. Genannt wird die Präsidentin selbst. Sie schlägt eine Kandidatur nicht aus.
«Zauberformel nicht mehr zeitgemäss»
Rytz will sich aber nicht zu Personalien äussern, sondern unterstreicht lieber, dass die Grünen an der heutigen Zusammensetzung des Bundesrats rütteln wollen, wenn sie die CVP überholen. Aktuell wird die Landesregierung nach der Zauberformel zusammengesetzt, nach der die drei grossen Parteien Anrecht auf je zwei Sitze haben und die viertgrösste auf einen Sitz.
Die Zauberformel ist seit 1959 der Verteilschlüssel für den Bundesrat. Nach diesem haben die drei stärksten Parteien Anrecht auf zwei Bundesratssitze, und die viertstärkste Partei im Parlament bekommt noch einen Sitz. Heute hat die SVP zwei Sitze, die SP zwei, die FDP zwei und die CVP einen Bundesratssitz.
Die Zauberformel ist nicht bindend – sonst hätte die damalige Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (63) spätestens 2011 abgewählt werden müssen. Denn damals vertrat sie die Kleinpartei BDP. Gewählt worden war sie 2007 allerdings als SVP-Mitglied.
Ein prominentes Opfer der Zauberformel ist die damalige CVP-Bundesrätin Ruth Metzler (55, Bild). Nach dem Aufstieg der SVP zur wählerstärksten Partei widerspiegelte die Zauberformel – damals hatten SP, CVP und FDP je zwei Sitze, die SVP einen – nicht mehr die Parteienstärke. Nach mehreren gescheiterten Versuchen war es am 10. Dezember 2003 so weit: Die CVP als viertstärkste Partei verlor einen Sitz an die SVP, Metzler wurde abgewählt. Sermîn Faki
Die Zauberformel ist seit 1959 der Verteilschlüssel für den Bundesrat. Nach diesem haben die drei stärksten Parteien Anrecht auf zwei Bundesratssitze, und die viertstärkste Partei im Parlament bekommt noch einen Sitz. Heute hat die SVP zwei Sitze, die SP zwei, die FDP zwei und die CVP einen Bundesratssitz.
Die Zauberformel ist nicht bindend – sonst hätte die damalige Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (63) spätestens 2011 abgewählt werden müssen. Denn damals vertrat sie die Kleinpartei BDP. Gewählt worden war sie 2007 allerdings als SVP-Mitglied.
Ein prominentes Opfer der Zauberformel ist die damalige CVP-Bundesrätin Ruth Metzler (55, Bild). Nach dem Aufstieg der SVP zur wählerstärksten Partei widerspiegelte die Zauberformel – damals hatten SP, CVP und FDP je zwei Sitze, die SVP einen – nicht mehr die Parteienstärke. Nach mehreren gescheiterten Versuchen war es am 10. Dezember 2003 so weit: Die CVP als viertstärkste Partei verlor einen Sitz an die SVP, Metzler wurde abgewählt. Sermîn Faki
Die Bernerin macht klar, weshalb sie diese Formel nicht mehr für zeitgemäss hält: «Die Zauberformel bezweckt, dass alle wahlstarken Parteien in der Regierung abgebildet werden.» Aus ihrer Sicht ist das nicht mehr gegeben, wenn den Grünen auf Augenhöhe mit der CVP ein Bundesratssitz verwehrt wird.
FDP sei übervertreten
Und Rytz macht auch kein Geheimnis daraus, auf welchen Parteisitz sie Anspruch erhebt: «Schon heute sind die Grünen näher an einem Bundesratssitz als die FDP am zweiten.» Ähnlich klingt es bei den Grünliberalen. GLP-Chef Jürg Grossen (49) sagt: «Sollten sich die bisherigen Trends bewahrheiten und die GLP und die Grünen deutlich zulegen und der rechtsbürgerliche Block aus FDP und SVP verlieren, muss man die Zusammensetzung des Bundesrats diskutieren. Es ist nicht erklärbar, dass die politische Mitte mit rund 30 Prozent bloss einen Sitz hat und die FDP mit deutlich unter 20 Prozent auf zwei Sitze kommt.»
Sollten sich die Grünen tatsächlich zu den Christdemokraten gesellen, wird auch die CVP gleich argumentieren, um den Bundesratssitz von Viola Amherd (57) zu verteidigen. Vorstandsmitglied Martin Candinas (38): «Es ist klar, dass die FDP den geringeren Anspruch auf zwei Sitze hat als die CVP auf einen.» Und Vorstandskollege Stefan Müller-Altermatt (43) doppelt nach, es werde auch nach dem 20. Oktober nicht die CVP sein, die übervertreten sei.
Rösti sagt «Ja, aber»
Natürlich wird die CVP auch auf ihre Mandate im National- und vor allem im Ständerat verweisen. Im Stöckli sind die Christdemokraten eine Macht. Die CVP-Sitzzahl in der kleinen Kammer werden die Grünen nicht erreichen.
Darum sagt SVP-Chef Albert Rösti (52) zwar, die SVP sei dafür, dass die vier stärksten Parteien die Regierung bildeten. Doch er schränkt ein: «Dabei gilt es aber auch die Vertretung im Ständerat zu beachten.» Das gelte für alle Parteien. Damit gesteht Rösti den Grünen im Prinzip den Sitz zu, lässt sich mit seiner Aussage aber ein Hintertürchen offen.
Cassis im Visier
Welcher der beiden FDP-Sitze wackelt, ist ein offenes Geheimnis: der von Ignazio Cassis (58). Der Aussenminister ist unbeliebter als seine Parteikollegin Karin Keller-Sutter (55). Zudem ist es für Mitte-links einfacher, einen Mann als eine Frau abzuwählen.
Dieser Ausgangslage ist sich auch die FDP bewusst. Freisinnige sagen, man werde auf der klassischen Zauberformel beharren, um eine Personaldiskussion zu vermeiden und beide Sitze abzusichern.
Die Leitung der Sozialdemokraten wiegelt ab, es sei noch zu früh, über die Abwahl des Aussenministers zu spekulieren. Hinter den Kulissen sondieren Genossen jedoch, wie gross der Rückhalt von Cassis in der eigenen Partei noch ist. Dieser schwinde mit jedem weiteren Tritt in ein Fettnäpfchen, behaupten sie.
Einige Bürgerliche meinen denn auch, es gehe den Linken mehr um Cassis als um die Schwächung der FDP. Sie wollten den stramm bürgerlichen Tessiner durch einen genehmeren Freisinnigen austauschen. Ob sich für diesen linken Traum genug Stimmen finden lassen, ist aber ungewiss.
Auf die CVP kommt es an
Entscheidend bei den Bundesratswahlen werden die Stimmen der Christdemokraten sein. Nur wenn sie recht geschlossen stimmen, kann das grüne Manöver gelingen. Doch bei allen Differenzen mit der FDP sind ihnen die Freisinnigen noch immer näher als die Grünen. Andererseits droht ihnen selbst der Rauswurf aus dem Bundesrat.
Treten alle bisherigen Bundesräte wieder an, werden am 11. Dezember zuerst Ueli Maurer (68, SVP), Simonetta Sommaruga (59, SP), Alain Berset (47, SP) und Guy Parmelin (59, SVP) in ihren Ämtern bestätigt. Die beiden grossen Parteien haben damit ihre Sitze im Trockenen – jetzt können die Spiele beginnen.
Drei Szenarien zeichnen sich ab: 1. Wenn die Grünen und die Grünliberalen (GLP) im Oktober erdrutschartig zulegen und sich die CVP behauptet, dann erfolgt wahrscheinlich der Angriff auf Ignazio Cassis (58, FDP). Votiert die CVP – mit Ausnahme der Tessiner – praktisch geschlossen beispielsweise für die grüne Regula Rytz (57), ist mit Hilfe der GLP und den Linken der zweite FDP-Sitz weg. Der Versuch einer freisinnigen Retourkutsche bei der Wiederwahl von Viola Amherd (57, CVP) wäre wenig aussichtsreich, da Mitte-links eine Mehrheit hat. Die Wiederwahl von Karin Keller-Sutter (55, FDP) später wäre reine Formsache.
2. Haben die Grünen und die Grünliberalen nur leicht zugelegt bei den Wahlen, bleibt der Angriff auf den Cassis-Sitz aus. Alle Bundesräte werden im Amt bestätigt.
3. Schifft die CVP völlig ab und liegen die Grünen sowie die GLP mit grossem Abstand vor den Christdemokraten, ist das Argument, dass die CVP einen grösseren Anspruch auf einen Sitz als die FDP auf zwei Sitze habe, Makulatur. Dann erfolgt der Angriff doch im sechsten Durchgang auf Amherd. Schliesslich wollen sie Keller-Sutter im letzten Durchgang nicht gefährden.
Treten alle bisherigen Bundesräte wieder an, werden am 11. Dezember zuerst Ueli Maurer (68, SVP), Simonetta Sommaruga (59, SP), Alain Berset (47, SP) und Guy Parmelin (59, SVP) in ihren Ämtern bestätigt. Die beiden grossen Parteien haben damit ihre Sitze im Trockenen – jetzt können die Spiele beginnen.
Drei Szenarien zeichnen sich ab: 1. Wenn die Grünen und die Grünliberalen (GLP) im Oktober erdrutschartig zulegen und sich die CVP behauptet, dann erfolgt wahrscheinlich der Angriff auf Ignazio Cassis (58, FDP). Votiert die CVP – mit Ausnahme der Tessiner – praktisch geschlossen beispielsweise für die grüne Regula Rytz (57), ist mit Hilfe der GLP und den Linken der zweite FDP-Sitz weg. Der Versuch einer freisinnigen Retourkutsche bei der Wiederwahl von Viola Amherd (57, CVP) wäre wenig aussichtsreich, da Mitte-links eine Mehrheit hat. Die Wiederwahl von Karin Keller-Sutter (55, FDP) später wäre reine Formsache.
2. Haben die Grünen und die Grünliberalen nur leicht zugelegt bei den Wahlen, bleibt der Angriff auf den Cassis-Sitz aus. Alle Bundesräte werden im Amt bestätigt.
3. Schifft die CVP völlig ab und liegen die Grünen sowie die GLP mit grossem Abstand vor den Christdemokraten, ist das Argument, dass die CVP einen grösseren Anspruch auf einen Sitz als die FDP auf zwei Sitze habe, Makulatur. Dann erfolgt der Angriff doch im sechsten Durchgang auf Amherd. Schliesslich wollen sie Keller-Sutter im letzten Durchgang nicht gefährden.