Der neue «Zirkusdirektor» von St. Moritz – so nennt sich Gemeindepräsident Christian Jott Jenny (40) selbst – versprach im Wahlkampf: Ausländer, die im Nobelskiort heimisch sind, sollen dort auch mitbestimmen. Jenny will auf Gemeindeebene das Ausländerstimmrecht einführen.
Konkret sollen diejenigen Ausländer, die seit mindestens fünf Jahren in der Schweiz leben und über eine Niederlassungsbewilligung verfügen (C-Ausweis), auf kommunaler Ebene mitbestimmen können. Und sich sogar auch in den St. Moritzer Gemeinderat und -vorstand wählen lassen können.
Es geht um Büezer, nicht um Bonzen
Werden also künftig die Reichen und Schönen der Welt an die Urne gerufen? Immerhin ist St. Moritz bekannt für seine prunkvollen Grand Hotels und deren schwerreiche Gäste. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn hinter der glamourösen Kulisse von St. Moritz sorgen italienische und portugiesische Büezer für das Wohlergehen der Gäste. Ohne sie würde im Gastgewerbe und der Hotellerie nichts gehen.
Plötzlich über ein Drittel mehr Stimmberechtigte
Und genau diese St. Moritzer hat der Parteilose Jenny im Visier. Oft leben sie schon jahrzehntelang im Nobelkurort, sind bestens integriert, sprechen deutsch und haben Kinder, die im Ort zur Schule gehen. Doch sie dürfen trotzdem nicht politisch mitbestimmen – weil sie sich nicht um den Schweizer Pass gekümmert haben, er ihnen zu teuer war oder sie sich noch immer mit dem Gedanken tragen, dereinst in die Heimat zurückzukehren.
Von der Neuerung wären zahlreiche St. Moritzer betroffen, denn ganze 41 Prozent der Einwohner des Nobelkurorts sind Ausländer. 978 von ihnen dürften künftig mitbestimmen. Damit hätte die Berggemeinde plötzlich rund 3500 Stimmberechtigte: über ein Drittel mehr als heute!
Politische Landschaft wäre «ausgewogener»
Doch wie würde die politische Landschaft in St. Moritz aussehen, wenn auch Ausländer mitmischten? «Auf jeden Fall wäre sie wenigstens etwas ausgewogener», vermutet Jenny. Vorausgesetzt, die stimmberechtigten Ausländer machten auch Gebrauch von ihren Rechten.
Und auch die Einheimischen würden vom Ausländerstimmrecht profitieren, meint Jenny: «Eine Gemeinschaft, in der möglichst viele mitbestimmen, steht auf einer solideren Basis.» Trotzdem sei das Wahl- und Stimmrecht für Ausländer keine Reaktion auf die sinkende Bevölkerungszahl: «Es ist einfach konsequent das weitergedacht, was wir hier sind: weltoffen und vernünftig. Wie sich das gehört.»
Doch es gibt auch Kritik: Gian Marco Tomaschett (32) von der örtlichen SVP findet, die Hürden für die Mitbestimmung seien etwas gar tief: «Jeder mit einer C-Bewilligung könnte dann sofort mitbestimmen – auch wenn er erst seit kurzem in St. Moritz lebt.» Das sei falsch, meint er und verweist auf Niedergelassene mit C-Ausweis, die weder eine Landessprache sprächen noch integriert seien. Andererseits: Auch ein Zürcher, der ins Oberengadin zieht, kann dort sofort mitbestimmen.
Ausländerstimmrecht sollte Standard sein
Für Jenny hingegen ist klar: Wer sich in der Schweiz ein Leben aufbaut, soll auch dieselben Mitbestimmungsrechte haben wie Schweizer: «Es ist mir unverständlich, weshalb das bei uns nicht Standard ist.» Trotz der Möglichkeit, sich einbürgern zu lassen, hält der Gemeindepräsident das Ausländerstimmrecht für bitternötig.
Denn für viele Ausländer sei die Einbürgerung heute erst der letzte Schritt. Wenn sie aber bereits vorher mitbestimmen könnten, sei das wie eine «Einladung zur Einbürgerung», so dass sie früher den roten Pass beantragten.
«Abstimmen erst am Ende der Integration»
Auch das findet Tomaschett falsch, der im Übrigen darauf hinweist, dass das Ausländerstimmrecht keine Erfindung von Jenny ist, sondern schon länger diskutiert wird: Das Wahl- und Stimmrecht sollte kein Hilfsmittel zur Integration sein, «sondern am Ende einer erfolgreichen Integration stehen. Und zwar über eine Einbürgerung». Das sei in St. Moritz keine grosse Sache und koste auch nicht mehr so viel wie früher.
Bis die St. Moritzer Ausländer aber tatsächlich mitbestimmen können, müssen sie sich allerdings noch mindestens ein Jahr lang gedulden: Die neue Gemeindeverfassung befindet sich erst in der Vernehmlassung. Voraussichtlich im nächsten Jahr entscheidet die Dorfbevölkerung an der Urne.
Auf Bundesebene ist das Ausländerstimmrecht seit eh und je chancenlos. Nur wer den Schweizer Pass besitzt, darf sich an nationalen Abstimmungen und Wahlen beteiligen.
Anders sieht das auf kantonaler Ebene aus: In den Kantonen Jura und Neuenburg dürfen ausländische Einwohner sowohl auf Kantons- als auch auf Gemeindeebene mitbestimmen.
Nur auf Gemeindeebene können alle in den Kantonen Freiburg, Waadt und Genf wohnhaften Ausländer wählen und abstimmen.
In den Kantonen Appenzell Ausserhoden, Basel-Stadt und Graubünden liegt es in der Kompetenz der jeweiligen Gemeinde, den Ausländern das Stimmrecht auf Gemeindeebene zu erteilen.
In Graubünden gewähren unter anderem bereits die Gemeinden Arosa, Scuol, Vals, Sumvitg, Fideris und Albula Ausländern das Stimmrecht. (pro)
Auf Bundesebene ist das Ausländerstimmrecht seit eh und je chancenlos. Nur wer den Schweizer Pass besitzt, darf sich an nationalen Abstimmungen und Wahlen beteiligen.
Anders sieht das auf kantonaler Ebene aus: In den Kantonen Jura und Neuenburg dürfen ausländische Einwohner sowohl auf Kantons- als auch auf Gemeindeebene mitbestimmen.
Nur auf Gemeindeebene können alle in den Kantonen Freiburg, Waadt und Genf wohnhaften Ausländer wählen und abstimmen.
In den Kantonen Appenzell Ausserhoden, Basel-Stadt und Graubünden liegt es in der Kompetenz der jeweiligen Gemeinde, den Ausländern das Stimmrecht auf Gemeindeebene zu erteilen.
In Graubünden gewähren unter anderem bereits die Gemeinden Arosa, Scuol, Vals, Sumvitg, Fideris und Albula Ausländern das Stimmrecht. (pro)