Prozess gegen GLP-Präsident
Gericht spricht Martin Bäumle schuldig!

Das Bezirksgericht Uster hat GLP-Chef Martin Bäumle heute Nachmittag der Amtsgeheimnisverletzung schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt.
Publiziert: 22.06.2016 um 15:41 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:10 Uhr
Lea Hartmann

Der strahlende Sonnenschein sei vielleicht als positives Zeichen zu werten, sagte Martin Bäumle (52) heute Nachmittag kurz vor der Urteilsverkündung mit Blick in den Himmel. Doch er hatte sich getäuscht.

Wenige Minuten später verurteilte das Bezirksgericht Uster den GLP-Präsidenten wegen Amtsgeheimnisverletzung in seiner Funktion als Dübendorfer Finanzvorsteher. Bäumle kommt mit einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 150 Franken, insgesamt also 9000 Franken, davon. Dazu kommt eine Entschädigung der Privatkläger in der Höhe von 18'900 Franken und die Auferlegung der Gerichts- und Verfahrenskosten. Die Staatsanwaltschaft hatte eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 160 Franken gefordert.

«Sie haben in Kauf genommen, dass das Amtsgeheimnis verletzt wird», sagte Richter Jean-Claude Simmen (SVP) bei der Urteilsbegründung. Strafmildernd habe sich das Geständnis Bäumles sowie die lange Dauer des Verfahrens ausgewirkt.

Bäumle will den Fall weiterziehen

Bäumle sagte nach der Urteilsverkündung, er sei enttäuscht – «und zwar in zweierlei Hinsicht»: «Erstens über das Urteil an sich, das sehr unerwartet gekommen ist. Und zweitens auch über die Begründung.»

Es sei «glasklar», dass er das Urteil weiterziehen werde, sagte der GLP-Präsident. «Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ich das Richtige zum richtigen Zeitpunkt getan habe.» Er sei zudem überzeugt, dass «die Schweizer Gerichte mir noch Recht geben werden». Ein Rücktritt kommt für ihn nicht in Frage, auch wenn dies nun gefordert werden dürfte: «Ich habe immer gesagt, dass ich keine politischen Konsequenzen ziehen werde.»

Betreibungen in Millionenhöhe

Richter Jean-Claude Simmen meinte zum Schluss des Prozesses, der 11. November werde Bäumle in zweifacher Erinnerung bleiben – «positiv und negativ». So war es Bäumles Hochzeitstag, an dem sich der Dübendorfer Stadtrat schuldig gemacht hatte. Bevor er sich mit seiner Zukünftigen auf den Weg zur zivilen Trauung im Dübendorfer Stadthaus machte, legte er drei A4-Seiten in den Briefkasten vor seiner Wohnung. Wenige Stunden später holte sie ein Journalist des «Anzeigers von Uster» dort ab (BLICK berichtete).

Bei den Dokumenten handelte es sich um Kopien von Betreibungsregisterauszügen zweier Firmen, deren Besitzer in Dübendorf eine Überbauung plante. Aus ihnen ging hervor, dass gegen den Grundeigentümer Betreibungen in Millionenhöhe liefen und bereits eine Konkursandrohung ausgestellt wurde.

«Nicht Recht, sondern Pflicht»

Bäumle habe es vor diesem Hintergrund nicht nur als sein Recht, sondern vielmehr als seine Pflicht angesehen, die Öffentlichkeit über die Solvenz der Firmen zu informieren, sagte sein Anwalt Christoph Hohler heute vor Gericht und plädierte für einen Freispruch. Denn noch im selben Monat wurde in Dübendorf über den privaten Gestaltungsplan abgestimmt, weil mitunter die Grünliberalen das Referendum ergriffen hatten.

Hätte sich nach der Abstimmung herausgestellt, dass der Stadtrat von den Betreibungen wusste, sie aber verschwiegen hatte, «wären wahrscheinlich ganz andere Vorwürfe auf die Stadt Dübendorf zugekommen», sagte Bäumle. Eine Stimmrechtsbeschwerde hätte sich aufdrängen können, präzisierte sein Verteidiger. Schliesslich müssten der Bevölkerung im Vorfeld einer Abstimmung alle relevanten Informationen zugänglich gemacht werden.

Richter Simmen hingegen argumentierte nach der Urteilsverkündung, ein Betreibungsregisterauszug sei «überhaupt keine verlässliche Quelle» für die Bonität einer Firma. Die Privatsphäre sei deshalb höher zu gewichten als das öffentliche Interesse.

Hat Bäumle seine Kompetenzen überschritten?

Ähnlich hatte dies der Dübendorfer Stadtpräsident 2011 gesehen. Während Bäumle der Meinung war, «die Öffentlichkeit proaktiv informieren zu müssen», beurteilte Stapi Lothar Ziörjen die Informationen in einem Gespräch mit dem Finanzvorsteher damals als nicht als relevant. «Ich habe den Stadtpräsidenten gefragt, was wir machen, wenn sich Journalisten melden», erzählte Bäumle heute dem Richter. «Seine Antwort war: ‹Dann werden wir halt irgendwie reagieren.›»

Aus dem Wir wurde in der Folge ein Ich. Bäumle habe gegen die Zuständigkeitsregelung verstossen, als er ohne Rücksprache mit dem Stapi die Dokumente weitergegeben habe, hielt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer fest. Der Anwalt des Grundeigentümers, dessen Firmen als Privatkläger auftreten, warf Bäumle zudem vor, eine «rein politisch motivierte Beeinflussung der Öffentlichkeit» im Sinn gehabt zu haben. Bei der Übergabe der Dokumente habe es sich um eine bewusste Inszenierung gehandelt.

«Betreibungsregisterauszug nicht für jedermann zugänglich»

Bäumles Verteidiger stellte indes in Frage, dass es sich bei den weitergegebenen Unterlagen überhaupt um geheime Informationen handelte. «Informationen, an die auch ein Privater hätte kommen können, können keinem Amtsgeheimnis unterliegen», sagte Hohler. Staatsanwalt Aerne räumte diesbezüglich ein: Bei Betreibungsregisterauszügen handle es sich nicht um Unterlagen «mit Geheimnischarakter». Wohl aber um Informationen, zu denen man laut Gesetz nur mit begründetem Interesse Zugang erhält.

Dies bekräftigte auch Richter Simmen. «Ein Betreibungsregisterauszug ist nicht für jedermann zugänglich.» Man könne davon ausgehen, dass ein interessierter Dübendorfer Stimmbürger nicht allein wegen der Abstimmung Einblick in das Betreibungsregister erhalten hätte.

Bäumles Anwalt hatte zuvor vergebens argumentiert, Bäumle habe nicht gewusst, dass Betreibungsregisterauszüge nicht öffentlich seien. «Über einen möglichen Geheimnischarakter hat er sich überhaupt keine Gedanken gemacht.» Deshalb habe sein Mandant auch nicht vorsätzlich gehandelt. Vielmehr habe er das Öffentlichkeitsprinzip und das Transparenzgebot als Massstab genommen.

Für das Gericht war indes klar: Der Vorsatz war da. Der nicht-öffentliche Charakter habe Bäumle bewusst sein müssen, schliesslich hätte er den Journalisten sonst auch einfach an das Betreibungsamt verweisen können, hielt Richter Simmen abschliessend fest.

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