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Parlament greift nach Skandal-Gutachten durch
Schluss mit Pfusch-Ärzten bei IV

IV-Ärzte, die sich mit einseitigen Gutachten eine goldene Nase verdienen – diese Enthüllungen haben die Schweiz empört. Nun reagiert das Parlament. Es will die schwarzen Schafe in die Schranken weisen.
Publiziert: 09.12.2019 um 23:06 Uhr
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Aktualisiert: 23.12.2019 um 08:50 Uhr
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Einigen IV-Gutachtern wird vorgeworfen, finanziell von den IV-Stellen abhängig zu sein und deshalb gegen die Interessen der Versicherten zu entscheiden.
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Ladina Triaca

Daniel Imhof* (57) arbeitet viel. Er hat eine Kaderstelle bei einer grossen Schweizer Firma. Doch irgendwann wird ihm der Druck zu gross. Imhof bricht zusammen. Der Hausarzt schreibt ihn krank, er muss vorübergehend in eine Klinik.

Umso grösser ist der Schock, als ein Gutachter kurze Zeit später erklärt, Imhof sei «zu 100 Prozent» arbeitsfähig. Er habe mit dem Patienten zwei Tests durchgeführt, schreibt der Psychiater im Gutachten. In der Folge lehnen die Krankentaggeldversicherung, die Invalidenversicherung (IV) und die Risikoversicherung der Pensionskasse jegliche Zahlungen an Imhof ab.

Zu Unrecht, wie sich herausstellt! Denn Imhof hat das Gespräch mit dem Psychiater heimlich aufgezeichnet – und kann so beweisen, dass dieser ihn über den Tisch zog.

Tonaufnahme der Interviews

Heimliche Tonaufnahmen sollen bald nicht mehr nötig sein. Geht es nach dem Ständerat, sollen Interviews zwischen Versicherten und Gutachtern künftig immer aufgezeichnet werden müssen. Heute hat sich der Nationalrat über die Vorlage gebeugt – und dem Vorschlag ebenfalls zugestimmt.

Thomas Ihde (51) erstellt selbst Gutachten für die IV. Der Chefarzt der Psychiatrie der Berner Oberländer Spitäler FMI bietet seinen Patienten bereits heute an, die Gespräche aufzuzeichnen. «99 von 100 Versicherten stimmen dem zu», so Ihde. «Die Leute haben oft Angst, dass gewisse Aussagen gegen sie verwendet werden.» Tonbandaufnahmen gäben aber nicht nur den Versicherten Sicherheit, sondern auch ihm als Gutachter, so Ihde.

Abhängige IV-Gutachter

Die Angst der Versicherten kommt nicht von ungefähr. Wie der SonntagsBlick publik machte, gibt es unter den IV-Gutachtern einige schwarze Schafe. So hat etwa die Firma des Zürcher Neurologen Henning Mast zwischen 2013 und 2018 für Gutachten über 14 Millionen Franken von den Schweizer IV-Stellen erhalten. Zu reden gab auch der Fall von Heinz B. (57), der an einer schweren Depression leidet – und vom begutachtenden IV-Arzt dennoch als voll arbeitsfähig eingestuft wurde.

Das Problem sei, dass einige IV-Stellen jene Gutachter bevorzugen würden, die in ihrem Sinne entscheiden, so Ihde. «Ich höre immer wieder von Gutachtern, die einseitig urteilen und ihre Gutachten im Copy-Paste-Modus erstellen.»

Parlament spricht Machtwort

Solche parteiischen Gutachter will das Parlament nun in die Schranken weisen. Nebst den Tonaufnahmen hat der Ständerat beschlossen, dass die IV-Stellen künftig eine öffentliche Liste führen müssen, auf der ersichtlich ist, welche Gutachter wie entscheiden. Auch soll neu eine Kommission mit Vertretern der betroffenen Kreise die Begutachtungen überwachen. Der Nationalrat ist dem Ständerat auch hier gefolgt – und nimmt die IV-Gutachter an die kurze Leine.

* Name von der Redaktion geändert

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