Die Frühlingssession wird definitiv nicht abgebrochen! Der Nationalrat lehnt den Abbruch-Antrag von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (41) deutlich ab: Mit 155 zu 13 Stimmen bei acht Enthaltungen. Nicht mal seine eigene Fraktion mochte sich hinter ihn stellen.
Aeschi hatte in einem Ordnungsantrag gefordert, das Bundeshaus für mindestens eine Woche zu schliessen – und erst danach über eine allfällige Wiederaufnahme des Parlamentsbetriebs entscheiden. Bereits das Büro des Nationalrats hat den Antrag vorher abgelehnt. Einzig Aeschi selbst stimmte für den Vorschlag.
Bei den anderen Parteien kam die Idee jedenfalls schlecht an. «Wir sind gegen einen Sessionsabbruch, solange die Fachleute des Bundesrats es uns nicht anraten», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann (46, VD) schon im Vorfeld zu BLICK. Kranke sollten zu Hause bleiben, aber wer gesund sei, gehe arbeiten. «Das gilt auch für das Parlament. Alles andere wäre Fahnenflucht», so Nordmann. Zudem würden die Parlamentarier die Vorsichtsmassnahmen bisher sehr gut einhalten.
FDP-Walti: «Kühlen Kopf bewahren»
Auch FDP-Fraktionschef Beat Walti (51, ZH) hält derzeit nichts von einem Unterbruch. «Es gibt im Moment keinen Grund für eine solch radikale Massnahme», sagt er. Viele Menschen im Land würden ihrer Arbeit – auch unter erschwerten Bedingungen – nachgehen. «Wir müssen kühlen Kopf bewahren und unsere Arbeit erledigen.» Ein Abbruch wäre «ein schlechtes Signal, hier geht es nicht einfach um eine Theateraufführung».
Manche Parlamentarier vermuten hinter dem Abbruch-Vorstoss eine versteckte Agenda der SVP. Ihr gehe es darum, mit dem Sessionsabbruch die Vorlage für die Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose zu verhindern, die im Abstimmungskampf um die Begrenzungs-Initiative eine wichtige Rolle spielt. «Dieser Verdacht ist nicht ganz von der Hand zu weisen», sagt auch Walti. «Bis jetzt hat sie nichts unversucht gelassen, eine zügige Beratung der Vorlage zu torpedieren.»
Grünen-Glättli: «Abbruch wäre Fehlentscheid»
Für Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli (48) stehen die behördlichen Vorschriften im Vordergrund. «Ein Abbruch der Session wäre derzeit ein Fehlentscheid», sagt er. Es müssten wichtige Entscheide gefällt werden. Neben der Überbrückungsrente nennt er das CO2-Gesetz.
Glättli schüttelt denn auch den Kopf über das Gebaren der SVP. «Es ist absurd: Die gleiche SVP, welche nun den Abbruch der Session will, stützt im Kanton Zürich ihre Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli, welche – als einer der einzigen Kantone – keine Bewilligungspflicht oder verbindliche Vorschriften für Veranstaltungen unter 1000 Leuten verfügt hat!»
Verwaltungsdelegation gegen Abbruch
Bereits am Montagmorgen tagte die sechsköpfige Verwaltungsdelegation der eidgenössischen Räte. Diese debattierte über verschärfte Sicherheitsmassnahmen im Parlamentsgebäude. Am Sonntag ging SP-Ständeratspräsident Hans Stöckli (67, BE) noch davon aus, dass die Session weitergeführt wird. «Es gibt im Moment keinen triftigen Grund dafür. Ohne solchen die Session abzubrechen, wäre ein schlechtes Signal nach aussen, was das Funktionieren unserer Institutionen betrifft.»
An einem Point de Presse bestätigte die Verwaltungsdelegation am Montagmittag diese Einschätzung. «Wir haben einstimmig beschlossen, die Session wie gehabt fortzuführen», so Stöckli. Wichtig sei, dass man sich an die Vorsichtsmassnahmen des Bundes halte. Also etwa genügend Abstand halten, insbesondere zu Personen aus der Risikogruppe. «Wichtig ist die Selbstverantwortung der Parlamentarier», so Stöckli. «Wer krank ist, soll zuhause bleiben.»
Die Sicherheitsmassnahmen werden aber ausgeweitet. So dürfen zum Beispiel auch Alt-Parlamentarier oder Botschaftsvertreter das Bundeshaus nun nicht mehr besuchen. Alle Sicherheitsmassnahmen gelten zudem über die Session hinaus – und zwar bis Ende April.
Corona-Krise beschäftigt Bundeshaus
Das Angst vor dem Coronavirus überschattet die politischen Debatten schon seit Sessionsbeginn. So sorgte in der ersten Sessionswoche nicht nur SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (50, GR) mit ihrem Mundschutz für Diskussionen. Auch FDP-Nationalrätin Doris Fiala (63, ZH) sorgte für Aufsehen, weil sie wegen eines hartnäckigen Hustens von FDP-Chefin Petra Gössi (44, SZ) nach Hause geschickt wurde und zum Corona-Test antraben musste – der aber negativ ausfiel.
In der Fragestunde des Nationalrats sind zudem zwei Dutzend Vorstösse zur Corona-Krise traktandiert. Neben Gesundheitsminister Alain Berset (47, SP) müssen auch Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60, SVP), Finanzminister Ueli Maurer (69, SVP), Justizministerin Karin Keller-Sutter (56, FDP) sowie Bundeskanzler Walter Thurnherr (56, CVP) antraben.