Schläge erschüttern die Schweiz: Letzten Mittwoch wird in Genf eine junge Frau von mehreren Männern mit Migrationshintergrund verprügelt. Andere Frauen kommen ihr zu Hilfe – und werden selbst Opfer massiver Gewalt.
Am Samstag an der Street Parade in Zürich wird gegrabscht, gepöbelt – und Frauen, die sich gegen sexistische Übergriffe wehren, werden aufs Brutalste geschlagen.
Politikerinnen sind sich in einem einig: «Das Mass ist voll!» CVP-Frauenpräsidentin Babette Sigg Frank (56) erinnert sich: «Als ich jung war, fühlten wir uns sicher im öffentlichen Raum. Frauen wurden nicht brutal zusammengeschlagen von Männergruppen. Ich bin wirklich wütend!»
Sigg Frank ist so wütend, dass sie jetzt ihre linken Kolleginnen kritisiert: «Hört auf, es schönzureden: Gewalt kommt vielfach von Männern mit Migrationshintergrund: Auch ihre Frauen müssen wir schützen», so die Zürcherin.
SVP-Rickli hofft auf Frauenallianz
Eine Aussage, die aufhorchen lässt. Denn sie kommt nicht etwa aus der SVP, von der man diese Tonalität erwartet, sondern aus der politischen Mitte.
Doch auch rechte Politikerinnen nehmen die Vorfälle in Genf und Zürich zum Anlass, die Parteigrenzen zu sprengen. SVP-Nationalrätin Natalie Rickli (41) hofft auf eine breite Frauen-Allianz: «Um die Opfer zu schützen und Täter hart zu bestrafen, brauchen wir auch die Unterstützung der linken Frauen im Parlament», sagt sie.
Rickli betont: «Auch Schweizer schlagen Frauen. Sie gehören alle hart bestraft.» Aber es dürfe nicht beschönigt werden, dass «oftmals Ausländer durch ihr minderwertiges Frauenbild solch brutale Gewalt ausüben».
Das könnte klappen. Denn linke Frauen sind nun bereit, über dieses Tabu-Thema zu reden: «Ich erinnere mich gut an die 90er-Jahre. Da kamen junge, traumatisierte Männer aus dem Balkankrieg aus patriarchalen Strukturen in die Schweiz», sagt die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz (61). Innerhalb kürzester Zeit sei es nachts auf den Gassen gefährlicher gewesen. «Den gewaltbereiten Macho-Stil gewisser Migranten konnte man nicht wegdiskutieren. Und das kann man auch heute nicht.» Wer in einem Land aufgewachsen sei, in dem Frauen keinerlei Rechte haben und als Besitz des Mannes gelten, habe oft weniger Respekt.
SP-Marti: «Hass auf Frauen hat leider keine Nationalität»
Auch ihre Parteikollegin Min Li Marti (44) gibt zu, dass es Männer mit einem patriarchalischen Verständnis gebe, das weder in die Schweiz noch in unser Jahrhundert gehöre. «Wenn ich aber beispielsweise die Kommentarspalten lese oder sehe, was Politikerinnen und Feministinnen für Droh-Mails erhalten, dann muss ich leider feststellen: Hass auf Frauen hat leider keine Nationalität, sondern ist ziemlich universell.»
Sie wehrt sich denn auch gegen den Vorwurf von CVP-Frau Sigg Frank: «Wenn wir es schönreden würden, hätten wir die Attacken in Genf ja ignoriert oder schöngeredet. Hat aber niemand – im Gegenteil, wir haben Demonstrationen organisiert», sagt die Zürcher Nationalrätin.
Unterstützung erhält Marti von Alliance F, der Dachorganisation der Frauenverbände. «Ursache und Nährboden für Gewalt an Frauen sind Patriarchat und Sexismus. Beides ist nicht nur in unserer Kultur, sondern auch in anderen vorhanden», so Geschäftsführerin Sophie Achermann (25). Doch es greife zu kurz, Gewalt an Frauen mit Einwanderern zu erklären. Das zeigten die Erfahrungen mit häuslicher Gewalt, die grösstenteils in Schweizer Haushalten verübt werde.
SP-Fetz und FDP-Markwalder: «Es braucht mehr Polizeipräsenz im öffentlichen Raum»
Bleibt die Frage: Was tun? «Die Gesetze, um Täter hart anzugehen, hätten wir, hapern tue es an der Strafverfolgung», sagt FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (43). «Er braucht wohl leider mehr Polizisten im öffentlichen Raum. Wir müssen Frauen ermuntern, immer Anzeige zu erstatten.»
Mehr Polizei fordert auch SP-Frau Fetz. «Alkoholisierte Männer im Rudel – egal ob Schweizer oder Migranten, neigen in der Gruppendynamik zu Eskalationen. Denen muss man klipp und klar zu verstehen geben: So nicht.»
CVP und FDP hingegen reicht das nicht. «Männer aus patriarchalen Strukturen haben Mühe, sich anzupassen. Wir müssen ihnen klarmachen, dass hier unsere Werte gelten», sagt Markwalder. Und Sigg doppelt nach: «Sonst haben sie hier nichts verloren.»
Wenn die Politik jetzt nicht endlich reagiere, verliere sie die Glaubwürdigkeit, sagt sie. «Jetzt müssen Gesetze her, die auch wirklich Sanktionen für Täter zur Folge haben. Fertig mit mildernden Umständen.»