Ermittlungs-Akten über Spion Daniel M. enthüllen
Geheimdienst steckt noch tiefer im Sumpf

Daniel M.* wurde vom Schweizer Nachrichtendienst als Bankdaten-Dealer vermittelt. Das behaupten seine beiden Mitbeschuldigten Werner Mauss und Wilhelm Dietl.
Publiziert: 12.05.2017 um 00:07 Uhr
|
Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:10 Uhr
Sermîn Faki

Die Spionage-Affäre um den Deutschland-Spion Daniel M. wird für den Schweizer Nachrichtendienst (NDB) immer ungemütlicher. BLICK-Recherchen zeigen, dass der NDB in Erklärungsnot kommen könnte. ­

Aus Ermittlungsakten geht hervor, dass zwei ehemalige deutsche Agenten, die Daniel M. für eine Spionage-Aktion engagiert hatten, den NDB anschwärzen: M. sei ihnen durch zwei «hochrangige» NDB-Mitarbeiter vermittelt worden. Diese hätten gesagt, M. arbeite «seit langer Zeit auch für den NDB», geniesse «ihr vollstes Vertrauen» und verfüge über «Kontakte zu korrupten Mitarbeitern bei Schweizer Banken». Der NDB will dazu keine Stellung nehmen.

Die Schweizer empfahlen Daniel M. den deutschen Agenten

Haben Sie keinen Durchblick mehr in der Spionage-Affäre, die die Schweiz seit Tagen in Atem hält? Dann angeschnallt, denn jetzt wird es noch komplizierter. Vor allem aber wird es brisanter.

Kurze Rückblende: Der Schweizer Daniel M.* sitzt seit zwei Wochen in Deutschland wegen Spionage für den Schweizer Geheimdienst NDB in Untersuchungshaft. Er soll deutsche Steuerfahnder ans Messer der Schweizer Bundesanwaltschaft geliefert und einen Maulwurf in der Steuerfahndung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen eingeschleust haben. Sicher ist, dass er zumindest einen Teil davon im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienstes getan hat.

Die Deutschen schwärzen den NDB an

Gegen Daniel M. läuft seit 2015 aber auch hierzulande ein Strafverfahren wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes. Er soll Kundendaten der UBS verkauft haben. Und hier fängt der Krimi erst richtig an. Mit ihm im Boot sitzen zwei Ex-Spione vom deutschen Bundesnachrichtendienst, Werner Mauss und Wilhelm Dietl. Sie sollen, so die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft, die Datenklau-Auftraggeber von Daniel M. sein.

Doch Mauss und Dietl schwärzen den Schweizer Nachrichtendienst an: Daniel M. sei ihnen für den Datenklau durch zwei «hochrangige» NDB-Mitarbeiter vermittelt worden, behaupten sie. Das geht aus den Verfahrensakten hervor, die BLICK vorliegen.

Wilhelm Dietl, Autor und Ex-BND-Mitarbeiter.
Foto: Wolfgang Maria Weber

Zwei leitende Mitarbeiter der NDB-Abteilung Beschaffung, die unter den Namen Urs S.* und Laurenz B.* aufgetreten seien, hätten Dietl auf Daniel M. aufmerksam gemacht. Dieser habe Beziehungen, die es erlaubten, weltweit Bankkundendaten zu beschaffen. Daniel M. arbeite «seit langer Zeit auch für den NDB», geniesse «ihr vollstes Vertrauen» und verfüge über «Kontakte zu korrupten Mitarbeitern bei Schweizer Banken». So hätten die Schweizer Schlapphüte ihren Datenhehler angepriesen, schreibt Dietl in einer persönlichen Erklärung zuhanden der Bundesanwaltschaft.

«Pionier gegen das Verbrechen»

Dietl, der Urs S. und Laurenz B. schon jahrelang kannte und ihnen vertraute, wandte sich mit dieser Information an Werner Mauss, einen in Ungnade gefallenen Ex-Superspion der Deutschen. Dieser wiederum rannte damit sofort zur UBS, genauer gesagt zum Bankjuristen Oliver Bartholet.

Der ehemalige Geheimagent Werner Mauss.
Foto: Keystone

Warum, bleibt unklar. Hatte er mit der Grossbank schon früher geschäftet? Wollte er sich ihr andienen? Mauss selbst, der sich auf seiner Homepage einen «Pionier gegen das Verbrechen» nennt, schreibt in einer Erklärung an die Bundesanwaltschaft zu seiner Motivation, «dass es sich bei den NDB-Beamten um skrupellose Kriminelle handelte, die fortlaufend Geheimnisverrat begingen»: «Es ging mir darum, die üblen Machenschaften zu enttarnen», so Mauss, «und die Gefährdung der Finanzplätze abzuwenden.»

Bundesanwaltschaft war immer informiert

Gemäss Mauss war auch der fallführende stellvertretende Bundesanwalt Carlo Bulletti «mündlich und schriftlich über die gesamten Aktivitäten vollumfänglich unterrichtet» und befürwortete das weitere Vorgehen: nämlich, dass Mauss und Dietl Beweise gegen Daniel M. sammeln und diesen dingfest machen sollten.

Was dann auch geschah – mit verdeckten Videoaufnahmen der Treffen zwischen Daniel M. und Dietl im Frankfurter Hotel Intercontinental, die zeigen, wie M. Daten übergibt und Geld dafür erhält (BLICK berichtete). Selbst an der Schweizer Verhaftung von Daniel M. im Februar 2015 waren Mauss und Dietl beteiligt. Sie organisierten ein Treffen im Zürcher Hotel Savoy, in dem die Falle respektive die Handschellen um Daniel M.s Handgelenke zuschnappten.

Räuberpistole oder V-Männer? 

Mauss und Dietl stellen sich damit als V-Männer der Schweizer Behörden dar. Stellt sich die Frage nach dem Warum. Weder Dietl noch Mauss reagierten am Donnerstag auf Anfragen von BLICK. Es ist durchaus denkbar, dass die beiden mit allen Wassern gewaschenen Ex-Spione versuchen, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Darauf gibt es durchaus Hinweise. Mit all diesen Erklärungen versuchte zumindest Mauss, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Bisher ohne Erfolg.

Andererseits: Eine derart grosse Räuberpistole hervorzuzaubern, ist nicht ohne Risiko. Wer solche Anschuldigungen macht, sollte besser etwas in der Hinterhand haben. Und sollten sich ihre Behauptungen bewahrheiten, würde sich der Spionage-Krimi zu einem handfesten Skandal ausweiten. Denn dann wäre Daniel M. das Bauernopfer in einem undurchsichtigen Spiel unter Geheimdiensten.

Vorerst bleibt das im Nebel von windigen Agenten und schweigenden Behörden verborgen. Der NDB wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Die Bundesanwaltschaft bestätigt, dass sie in diesem Zusammenhang im November 2015 ein Strafverfahren gegen unbekannt eröffnet hat. Weitere Angaben zum hängigen Verfahren macht auch sie nicht.

* Namen der Redaktion bekannt

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?