Kampfjet und Bodluv – also das bodengestützte Raketensystem: Bundesrätin Viola Amherd (56) hat gleich zwei heisse Beschaffungsdossiers von ihrem Vorgänger Guy Parmelin (59) geerbt.
Doch die erste Schweizer Verteidigungsministerin aller Zeiten wollte es nicht einfach so weiterführen – sondern liess das sogenannte Air2030-Projekt unter anderem von Claude Nicollier (74), dem ersten Schweizer im Weltall, durchleuchten.
Die CVP-Bundesrätin habe sich ein «umfassendes Bild verschaffen wollen, bevor sie dem Bundesrat einen Vorschlag für das weitere Vorgehen unterbreitet», schreibt das Verteidigungsdepartement VBS in einer Mitteilung.
Und welcher Kampfjet soll die Schweiz nun beschaffen? Dazu hat auch Nicollier keine abschliessende Antwort. Derzeit laufen die technischen Tests – die fünf Herstellerfirmen lassen die Jets im Schweizer Luftraum fliegen.
Nicollier empfiehlt, Kampfjets und Bodluv aufzuspalten
Doch eine Erkenntnis sei klar, so Nicollier: Der Bundesrat dürfe «unter keinen Umständen» über einen der fünf Flugzeugtypen entscheiden, bevor das Parlament – und im Falle eines Referendums das Volk – über Sein und nicht Sein neuer Kampfjets entschieden habe.
Auffallend: Claude Niccolier empfiehlt einen neuen Planungsbeschlussentwurf, der nur die Kampfflugzeuge enthalten würde – und nach dem Parlament also dem Volk vorgelegt werden soll. Er will also die beiden Dossiers aufspalten! Die neuen Raketen sollen über das normale Rüstungsprogramm beschafft werden.
Damit kriegen Kritiker Rückendeckung: In der Vernehmlassung war der Plan des Bundesrates, beides in einem Geschäft zu erledigen, schlecht angekommen. CVP und FDP lehnen die Verknüpfung ab, so dass die Pläne des Bundesrats schon im Parlament gefährdet sind.
Nicolliers Fazit nach Prüfung des Expertenberichts, der noch unter der Federführung von SVP-Bundesrat Guy Parmelin entstand: Er empfehle «nachdrücklich Option 2» – also den Ersatz der derzeitigen Kampfflugzeugflotte durch rund 40 moderne Kampfflugzeuge und die Erneuerung der Boden-Luft-Verteidigung.
Diese Zahl lässt aufhorchen: Parmelins Experten hatten vier Varianten vorgeschlagen – in der umfassendsten und teuersten Variante kamen sie noch zum Schluss, dass es bis zu 70 neue Kampfjets brauche. Nicollier empfiehlt nun die zweiteuerste mit geschätzten Kosten von rund 9 Milliarden Franken – davon eine Milliarde für das Bodluv-System. Damit könnte die Luftwaffe in etwa die Fläche der Schweiz abdecken.
Bis Sommer muss Bundesrat dem Parlament einen Plan vorschlagen
Doch für welche Bedrohungslage muss die Schweiz überhaupt neues Kriegsmaterial beschaffen? Dies analysierte Pälvi Pulli (48), die Chefin Sicherheitspolitik VBS, im Auftrag von Bundesrätin Amherd. Sie komme zum Schluss, «dass es auch künftig eine genügend grosse Anzahl Kampfflugzeuge und bodengestützte Mittel braucht, um den eigenen Luftraum wirksam schützen und verteidigen zu können.»
Doch in Anbetracht der Krisenherde weltweit dränge die Zeit, so Pulli: Mit Blick auf die «negativen Entwicklungen der internationalen Sicherheitslage in den letzten zwei Jahren» sei der «Handlungsbedarf erhöht».
Und so muss der Bundesrat jetzt vorwärtsmachen – denn bis Sommer müsse er entscheiden, «in welcher Form er die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge und eines neuen Systems zur bodengeschützten Luftverteidigung dem Parlament vorschlägt». (vfc)