CVP-Regierungsrat nimmt sich Bedenkzeit
Gewählt – aber Villiger überlegt sich Rücktritt

Die CVP gewinnt die Regierungsratswahlen in Zug. Doch statt Champagner- herrscht Katerstimmung. Beat Villiger überlegt sich, die Wahl nicht anzunehmen. Er steht wegen einer Auto-Affäre und einem unehelichen Kind unter Druck.
Publiziert: 08.10.2018 um 03:14 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 18:44 Uhr
Nico Menzato

Die CVP hätte gestern endlich mal wieder die Korken knallen lassen können: Die Partei eroberte in der siebenköpfigen Zuger Regierung einen dritten Sitz. Und im Kantonsrat bleibt sie mit 21 Sitzen stärkste Kraft.

Ein richtig grossartiger Erfolg ein Jahr vor den nationalen Wahlen! Dies auszukosten, täte der arg gebeutelten CVP und deren Präsident Gerhard Pfister (56) so richtig gut.

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Getrübte Stimmung trotz Wahlerfolg: CVP-Schweiz-Chef Gerhard Pfister (l.) und der Zuger Regierungsrat Beat Villiger.
Foto: Claudio Meier

Kater- statt Champagnerstimmung

Doch statt kühlen Champagner bekam der wiedergewählte Regierungsrat Beat Villiger (61) von Pfister nur einen unterkühlten Händedruck, als dieser gegen 18 Uhr im Kaufmännischen Bildungszentrum auftauchte – dort, wo sich die Politiker aller Parteien versammelten und sich den ganzen Nachmittag eigentlich nur eine Frage stellten: Kommt er oder kommt er nicht?

«Gömmer grad schnell», zitierte Pfister ihn wie einen Schulbuben sofort in eine Ecke zur Krisenbesprechung. Villiger lauschte mit starrem Blick Pfisters Worten, getraute sich danach kaum, zu seinen Parteikollegen hinzustehen. Stattdessen tuschelte er immer wieder mit seinem extra engagierten Krisenberater. Er starrte aufs Handy. Und verschwand nach einer guten halben Stunde wieder.

Villiger nimmt sich Bedenkzeit

Villiger weiss: Er hat der CVP die Wahlparty vermasselt. Und er überlegt sich nun, ob er seine vierte Amtszeit auch tatsächlich antritt. «Ich brauche jetzt ein paar Tage Bedenkzeit, ob ich die Wahl annehme oder nicht», sagt er. Pfister meint, die Partei werde nun zusammensitzen und das weitere Vorgehen besprechen. Die Situation sei sicherlich «unangenehm».

Villiger steht seit Anfang Woche unter heftigem Beschuss. Das Online-Portal «Republik» machte öffentlich, dass gegen den Justizdirektor ein Strafverfahren lief. Er hatte einer Person sein Auto überlassen, obwohl sie keinen Führerausweis besass.

Ausserdem gab es Unklarheiten wegen eines Kaufvertrags für das Auto, so dass die Staatsanwaltschaft Luzern wegen Urkundenfälschung ermittelte – die Ermittlung aber wieder einstellte.

«Ich habe eine uneheliche Tochter»

Und just im gestrigen SonntagsBlick – am Tag der Wahl – gab Villiger zu, dass es seine damalige Geliebte war, der er das Auto gegeben hatte. Und er gestand weiter: «Ich habe eine uneheliche Tochter.»

Diese Worte schlugen im konservativen Zug wie eine Bombe ein. Doch die grosse Mehrheit der Bürger hatte zu diesem Zeitpunkt die Wahlzettel längst ausgefüllt. So landete Villiger auf dem guten dritten Platz. Und weiss nun nicht, ob das nun ein Vertrauensvotum ist oder nicht. Es ist völlig unklar, wie viele CVP-Wähler Villiger von der Liste gestrichen hätten, wenn sie über die Auto-Affäre und das uneheliche Kind im Bilde gewesen wären.

«Das ist eine Irreführung der Stimmbürger», sagt denn auch der Zuger SVP-Nationalrat und Fraktionschef im Bundeshaus, Thomas Aeschi (39). Es sei nicht korrekt, die Affäre ums Auto und deren Hintergründe so lange zu verheimlichen und dann erst am Wahltag selbst die Wähler um Verzeihung zu bitten.

Pfister nennt den Zeitpunkt des Geständnisses zumindest «nicht ideal». Und Villiger sagt jetzt, «aus Respekt vor dem Stimmbürger» werde er die Situation jetzt analysieren und dann zusammen mit der Partei definitiv entscheiden, wie es weitergeht.

Villiger wollte Veröffentlichung verhindern – wieso?

Villiger, der 2001 den tödlichen Amoklauf von Friedrich Leibacher im Zuger Kantonsparlament dank einem Sprung aus dem Fenster überlebte, hatte auch alles unternommen, um die Angelegenheit ganz unter dem Deckel zu halten. So versuchte er, einen Bericht der «Republik» gerichtlich zu unterbinden. «Ich wollte meine Familie schützen und verhindern, dass die private Geschichte an die Öffentlichkeit gelangt», sagt er dazu. Er habe das Magazin gebeten, sein Privatleben zu respektieren. «Das ist nicht passiert, weshalb ich zur Superprovisorischen griff.»

Die «Republik» wehrte sich gestern Nachmittag gegen diese Darstellung. Villiger habe ihr verboten, über den Verdacht der Polizei und die Untersuchung der Staatsanwaltschaft zu berichten. Sein Privatleben sei gar kein Thema gewesen.

Die Affäre Villiger überschattete eine historische Zäsur im Tiefsteuerkanton: Erstmals seit 95 Jahren ist die Linke nicht mehr in der Regierung vertreten. 3 CVP, 2 SVP, 2 FDP – so lautet ab sofort die rein bürgerliche Formel.

Hat er bald mehr Zeit für lange Spaziergänge?

Ausser Villiger entscheidet sich für den Rücktritt. Dann kommt es Anfang Dezember zur erneuten Wahl – und für die Linke zur Chance, doch noch in die Regierung zurückzukehren.

Villiger hätte dann mehr Zeit für all das, was er am gestrigen Wahlsonntag tat. «Nach einem reichhaltigen Frühstück freue ich mich zum ersten Mal seit langem auf die Medienberichte von heute», antwortete er der «Zentralschweiz am Sonntag» auf die Frage, wie er den Wahltag verbringe. Und weiter: «Ein langer Spaziergang mit meiner Familie in der Natur wird mich auf den Wahlsonntag einstimmen. Der Blick auf unseren schönen Kanton wird entspannend wirken.»

Von Entspannung war wenige Stunden später nichts mehr zu spüren. Die Affäre Villiger ist trotz der Beichte längst nicht ausgestanden.

Persönlich

Der 61-jährige CVP-Politiker Beat Villiger war im aargauischen Sins und später in Baar ZG Gemeinderatsschreiber. Von 1995 bis 2006 sass Villiger im Zuger Kantonsrat. Am Morgen des 27. Septembers 2001 erlebte er den Amoklauf von Friedrich Leibacher mit, bei dem 14 Politiker den Tod fanden und 18 Personen verletzt wurden, bevor sich Leibacher selbst das Leben nahm. Villiger hatte sich mit einem Sprung aus dem Fenster vor den Schüssen Leibachers gerettet. Seit Januar 2007 ist Villiger Regierungsrat in Zug. Er ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen, ehelichen Kindern.

Der 61-jährige CVP-Politiker Beat Villiger war im aargauischen Sins und später in Baar ZG Gemeinderatsschreiber. Von 1995 bis 2006 sass Villiger im Zuger Kantonsrat. Am Morgen des 27. Septembers 2001 erlebte er den Amoklauf von Friedrich Leibacher mit, bei dem 14 Politiker den Tod fanden und 18 Personen verletzt wurden, bevor sich Leibacher selbst das Leben nahm. Villiger hatte sich mit einem Sprung aus dem Fenster vor den Schüssen Leibachers gerettet. Seit Januar 2007 ist Villiger Regierungsrat in Zug. Er ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen, ehelichen Kindern.

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