Bis vor kurzem war die Wiederwahl des Zuger Regierungsrats Beat Villiger (61) Formsache. Dann aber warf ihm das Onlinemagazin «Republik» Anfang Woche vor, einer Bekannten zweimal sein Auto ausgeborgt zu haben, obwohl er geahnt haben könnte, dass sie keinen Führerschein besitzt.
Die Staatsanwaltschaft Luzern hatte darauf 2017 eine Strafuntersuchung gegen Villiger eingeleitet. Dies auch, weil die Frau plötzlich einen Kaufvertrag präsentierte, der sie als Besitzerin des Wagens auswies. Es bestand der Verdacht, dass die beiden den Vertrag nachträglich aufgesetzt und rückdatiert hatten. Der Vorwurf der Urkundenfälschung stand im Raum.
Im Frühling 2018 stellte die Staatsanwaltschaft die Untersuchung aber rechtsgültig ein. Dennoch hatte die «Republik» davon erfahren. Vor wenigen Wochen war sie an Villiger herangetreten. Als es dem Sicherheitsdirektor klar war, dass das Magazin alles publik machen will, erwirkte er eine superprovisorische Verfügung gegen Teile der Veröffentlichung.
Dennoch schwieg die «Republik» nicht. Seither spekulierten die Medien über die Auto-Affäre. Villiger äusserte sich nur schriftlich.
Der Regierungsrat liess sich aber darauf ein, den SonntagsBlick auf der Sicherheitsdirektion zu empfangen. Nervös öffnete eine Direktionsmitarbeiterin dem SonntagsBlick-Team am Freitag die Tür. Noch angespannter betrat Villiger das Sitzungszimmer.
Im Vorgespräch fasste sich der CVPler ein Herz, der Öffentlichkeit noch am heutigen Wahltag in einem Exklusivinterview tatsächlich seine Sicht der Dinge darzulegen und das Urteil der Bevölkerung anzunehmen.
Das Onlinemagazin «Republik» machte öffentlich, dass Sie zweimal einer Bekannten Ihr Auto geliehen hatten, obwohl diese keinen Führerschein besass. Was ist passiert?
Beat Villiger: Ja. Ich habe einen Fehler gemacht. Mein Grundvertrauen spielte mir einen Streich. Ich dachte fälschlicherweise, die Frau besitze einen Ausweis. Letztlich führte das zu einer Strafuntersuchung durch die Staatsanwaltschaft Luzern, die zu Recht eingeleitet worden ist. Ich konnte aber darlegen, dass ich meinen Wagen nicht ohne Vorsichtsmassnahmen übergeben hatte.
So glaubhaft ist das nicht. Sie erkundigten sich bei der Luzerner Polizei, ob die Person einen Führerschein hat.
Ja, als Privatperson. Nicht als Zuger Sicherheitsdirektor.
Dann hegten Sie also einen Verdacht? Sonst hätten Sie nicht angerufen.
Es gab eine Unsicherheit. Als die Frau kein Auto mehr hatte, sagte ich, sie könne meinen Wagen haben. Zuerst nur mündlich. Später schlossen wir einen Kaufvertrag ab. Ich glaube, wir stellten diesen auf den 4. Juni aus.
Genau dieser Punkt ist umstritten.
Wissen Sie immer noch in allen Einzelheiten, was Sie vor Monaten gemacht haben? Eigentlich muss man in so einem Fall nicht zwingend einen Vertrag erstellen. Wir massen dem Ganzen nicht so eine grosse Bedeutung zu. Damit man das versteht, muss ich wohl die persönliche Geschichte dahinter offenlegen.
Was ist die Geschichte?
Ich hatte mit dieser Frau vor Jahren ein Verhältnis. Wir haben ein gemeinsames Kind. Ich habe eine uneheliche Tochter. Sie kam 2012 zur Welt. Die Mutter lebte mit ihr in den USA. Als sie wieder in die Schweiz zurückkam, vermietete ich ihr eine Wohnung. Mit der Frau bin ich aber schon länger nicht mehr liiert. Mehr sage ich weder zu dieser Frau noch zum Kind, das uns verbindet.
Es gab Zweifel. Man dachte, Sie beide hätten den Kaufvertrag nachträglich aufgesetzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Urkundenfälschung. War da nicht noch mehr?
Man kam in der Einstellungsverfügung zum rechtskräftigen Schluss, dass keine Urkundenfälschung vorliegt. Auch wenn ich es der Presse nicht vermitteln konnte, erklärte ich es der Staatsanwaltschaft offenbar nachvollziehbar. Mehr ist nicht vorgefallen.
Unglaubwürdig wurde die Angelegenheit, als Sie gegen die «Republik» eine superprovisorische Verfügung erwirkten, damit nichts geschrieben wird.
Nein, als das Magazin doch darüber schrieb, ist es in der Öffentlichkeit unglaubwürdig geworden. Das ist ein Unterschied.
Mit Superprovisorischen will man die Presse mundtot machen.
Ich wollte meine uneheliche Tochter schützen. Genauso wie meine Frau und unsere drei ehelichen Kinder. Dass alle für etwas büssen müssen, was ich vor Jahren getan habe, geht nicht. Ich habe das Magazin gebeten, mein Privatleben zu respektieren. Das ist nicht passiert, weshalb ich zur Superprovisorischen griff. Ich gebe zu, bei der Übergabe des Autos war ich zu wenig konsequent. Das tut mir leid.
Warum gaben Sie der Frau Ihren Wagen ein zweites Mal, nachdem sie bereits einmal ohne Führerschein damit erwischt worden war?
Nach dem ersten Vorfall war ich wütend. Ich wollte das Auto zurück. Aber sie meinte, wir hätten einen Vertrag und sie gebe mir das Auto nicht mehr retour. Sie verlangte, dass ich das Auto wie vereinbart vorgeführt übergebe. Fakt ist: Ich hätte die Autonummer schon bei der Vertragsunterzeichnung abnehmen sollen. Das bereute ich schon oft.
Heute wollen Sie als Regierungsrat wiedergewählt werden. Haben Sie so lange geschwiegen, damit die Wahl nicht gefährdet wird?
Nein. Es ging wirklich darum, die Personen zu schützen.
Ihre Familie wusste also nichts von der Affäre und dem daraus entstandenen Kind?
Meine Frau wusste es schon länger. Meine ehelichen Kinder erst später. Diese Woche informierte ich meine Familie im Detail über den Autovorfall. Ich will betonen, dass es dieser Frau sehr leidtut, dass sie ohne Führerausweis fuhr.
Aber Sie sind auch nicht unschuldig. Weshalb machten Sie nicht schon früher reinen Tisch?
Weil es ein Recht auf Privatsphäre gibt.
Gut, doch als Politiker haben Sie auch Verpflichtungen Ihren Wählern gegenüber. Verzeiht Ihre christliche Partei die Affäre?
Ich weiss es nicht. Dies zeigt das heutige Wahlresultat. Doch ich bekomme extrem viele aufmunternde Zuschriften. Aber zu Recht applaudiert meine Partei nicht.
Stehen Sie zu Ihrer unehelichen Tochter?
Natürlich. Es gibt auch eine vertragliche Vereinbarung, die meine finanziellen Verpflichtungen regelt. Zu meiner Tochter habe ich regelmässig Kontakt. Sie weiss, dass ich ihr Vater bin.
Ihre Frau hält zu Ihnen. Das ist nicht selbstverständlich.
Ich möchte mich an dieser Stelle dafür entschuldigen, dass ich eine Affäre hatte. Das muss ich nun mit meiner Familie austragen, und da sind wir auch dran. Meine Familie ist wunderbar, sie verdient das nicht. Es tut mir leid.
Wie haben Sie es geschafft, dass Ihre Frau Ihnen verzeiht?
Gute Frage (überlegt lange). Die Sache müssen wir miteinander aufarbeiten. Die Situation ist auch für sie sehr belastend. Sie ist eine besondere Frau, die Kraft hat. Sie steht hin und sagt: Wir halten zusammen. Mir ist bewusst, so kann und will nicht jede Frau handeln. Ich verstehe selber nicht, weshalb ich die Affäre hatte. Wir sind eine starke Familie. Das Persönliche ist mir wahnsinnig wichtig (kämpft mit den Tränen).
Sind Ihre Partei- und Regierungskollegen im Bild?
Ich habe sie diese Woche informiert, nachdem die Sache publik wurde. Ich habe es ihnen erklärt, nachdem ich sah, dass der Persönlichkeitsschutz nicht mehr hält.
Ist es eine Erleichterung, jetzt reinen Tisch zu machen?
Es ist nicht angenehm, darüber zu reden. Aber auch nicht, mit so einem Geheimnis zu leben. Für meine Familie ist es schwierig, die ganze Sache nachzuvollziehen, zu verstehen und zu bewältigen. Familie und Freunde sagen mir aber, es ist gut, dass du informierst, wir stehen zu dir. Es ist ein gewisser Befreiungsschlag nach aussen. Es nimmt etwas den Druck weg.
Sind Sie als Politiker weiter glaubwürdig?
Ja, ich meine schon. Ich wurde nicht verurteilt. Ich versuche als Regierungsrat immer, mein Bestes zu geben. Im privaten Bereich lief es nicht immer schön, dazu stehe ich.
Machen Sie sich Sorgen, heute nicht genug Stimmen zu erhalten?
Ja, das Bekanntwerden des Vorfalls macht es schwierig. Aber auch wenn ich das Vertrauen nochmals erhalte, werde ich das Resultat analysieren. Vor vier Jahren hatte ich das drittbeste Ergebnis aller Kandidaten. Wenn es knapp wird, muss ich mir Fragen stellen. Ein Rücktritt ist im Moment aber kein Thema.
Der 61-jährige CVP-Politiker Beat Villiger war im aargauischen Sins und später in Baar ZG Gemeinderatsschreiber. Von 1995 bis 2006 sass Villiger im Zuger Kantonsrat. Am Morgen des 27. Septembers 2001 erlebte er den Amoklauf von Friedrich Leibacher mit, bei dem 14 Politiker den Tod fanden und 18 Personen verletzt wurden, bevor sich Leibacher selbst das Leben nahm. Villiger hatte sich mit einem Sprung aus dem Fenster vor den Schüssen Leibachers gerettet. Seit Januar 2007 ist Villiger Regierungsrat in Zug. Er ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen, ehelichen Kindern.
Der 61-jährige CVP-Politiker Beat Villiger war im aargauischen Sins und später in Baar ZG Gemeinderatsschreiber. Von 1995 bis 2006 sass Villiger im Zuger Kantonsrat. Am Morgen des 27. Septembers 2001 erlebte er den Amoklauf von Friedrich Leibacher mit, bei dem 14 Politiker den Tod fanden und 18 Personen verletzt wurden, bevor sich Leibacher selbst das Leben nahm. Villiger hatte sich mit einem Sprung aus dem Fenster vor den Schüssen Leibachers gerettet. Seit Januar 2007 ist Villiger Regierungsrat in Zug. Er ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen, ehelichen Kindern.