In der Krise sind alle Augen auf den Bundesrat gerichtet. Sieben Menschen, die ein ganzes Land durch die Corona-Pandemie führen. Die Verantwortung lastet schwer.
Doch wie meistert die Regierung die Herausforderung? Das können jene am besten beurteilen, die einmal selbst die Verantwortung schulterten. Einstige Magistraten äussern sich jedoch kaum zu aktuellen Polit-Themen. Und fast nie zum Bundesrat. Für BLICK machen sie eine Ausnahme. Und sie sind sich mehrheitlich einig: Ihre Nachfolger metzgen sich gut.
«Man muss mit sich selbst im Reinen sein»
Entscheidend sei, eine solche Lage als Krise zu erfassen, skizziert alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz (77) die Voraussetzung für das richtige Handeln. «Man muss erkennen, dass eine Situation mit den normalen, üblichen Verfahren und Mitteln nicht mehr zu bewältigen ist.» Das habe die jetzige Regierung getan.
Und: Man müsse mit sich selbst im Reinen sein, ergänzt Merz, der als Politiker auch die eine oder andere Krise meistern musste. «Ich verbrachte vor dem Entschluss, 1995 die Ausserrhoder Kantonalbank durch Verkauf zu sanieren, drei Tage allein in der Abgeschiedenheit der Engadiner Berge», erzählt der FDPler, der vor seiner Zeit in der Landesregierung Regierungsrat war. Er habe Varianten durchgerechnet, mögliche Konsequenzen bedacht. «Danach gab es keine Selbstzweifel mehr.»
«Die Schweiz schlägt sich gut»
«Die Schweiz schlägt sich gut in dieser Situation», findet auch der ehemalige FDP-Gesundheits- und Aussenminister Didier Burkhalter (60). Es brauche weiter einen engen Draht zwischen Behörden und Bevölkerung: «Vorsicht und Augenmass sind weiter wichtig. Denn niemand weiss, ob es eine oder sogar mehrere andere Wellen geben wird.»
Als nächstes sei es entscheidend, Vertrauen zu schaffen, so der Romand. Auch bei jenen, die eine andere Meinung vertreten. Der Bundesrat solle Ruhe und Hoffnung verbreiten. Angesichts der sich wiederholenden Corona-Demonstrationen scheint das jedoch nicht in allen Bevölkerungsteilen gelungen zu sein.
«Erste Sofortmassnahmen waren einleuchtend»
Die einstige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (64) sagt gegenüber dem Fernsehen SRF, der Bundesrat habe es gut gemacht: «Er hat zum Beginn der Krise sehr gut reagiert, als man Mitte März wirklich schwierige Entscheide fällen musste. Und er hat diese auch gut kommuniziert.»
Bis hierhin ist auch alt Bundesrat Christoph Blocher (79) einverstanden. Sofortmassnahmen wie Distanz- und Hygieneregeln seien einleuchtend gewesen. «Die Krankheit war damals noch sehr unbekannt», sagt der SVP-Stratege.
«Schaden ist nun grösser, als ihn das Virus angerichtet hätte»
Den weiteren Verlauf der Krisenbewältigung betrachtet Blocher jedoch kritisch. So habe der Bundesrat «den Kopf verloren und überhastet Massnahmen beschlossen, die nicht dringlich waren, aber absehbar grosse Schäden verursachen werden». In den meisten Fällen sei es nicht nötig gewesen, der Wirtschaft, den Schulen, den Firmen einen detaillierten Stillstand zu verordnen. «Sehr viele Betriebe hätten weiterarbeiten können, unter Einhaltung der Vorschriften des Bundesamts für Gesundheit», sagt Blocher.
Der Bundesrat habe damit einen riesigen wirtschaftlichen Schaden verursacht, der die Schweiz noch Jahre beschäftigen werde. «Der Schaden ist nun grösser, als ihn das Virus angerichtet hätte», ist Blocher überzeugt. Parallel dazu habe der Bundesrat zusammen mit der Verwaltung zentralistisch Regeln aufgestellt. «Das ist Unfug, weil die Situation im Tessin stets anders war als etwa im Kanton Appenzell Innerrhoden», sagt Blocher. «Das ist es, was ich als Verwaltungsdiktatur bezeichne.»
Kritik im Nachhinein «ist einfach und etwas billig»
Das wiederum sieht Blochers Rivalin Widmer-Schlumpf ganz anders: «Ich denke nicht, dass man überreagiert hat.» Als man den Lockdown verfügte, sei dies gestützt auf das damalige Wissen erfolgt. «Es ist sehr einfach und auch etwas billig, wenn man vier oder fünf Wochen später sagt, das hätte man anders machen können», so die BDPlerin.
Auch für Merz ist das Handeln seiner Nachfolger nachvollziehbar: Dass es bei der Umsetzung da und dort zu Anpassungen komme, gehöre zum Handwerkszeug der Krisenbewältigung, sagt er. «Der Rest ist Gottes Gnade.»