Im Jahr 2019 kam es in der Gemeinde Bex VD zu einem schweren Verkehrsunfall. Ein Mann war mit dem Auto innerorts unterwegs, als er auf einem Fussgängerstreifen einen kleinen Buben erfasste. Es kam zum Aufprall, der Junge wurde knapp 25 Meter weggeschleudert.
Doch ist der Walliser Lenker wirklich schuldig? Über diese Frage wurde am Waadtländer Kantonsgericht sowie am Bundesgericht diskutiert. Denn: Der Mann war mit erlaubter Geschwindigkeit unterwegs – sogar unter dem Tempolimit 50. Nun hat das Bundesgericht entschieden, wie die Walliser Nachrichtenseite «Pomona» schreibt. Der Fahrer wird verurteilt.
Fünfjähriger sechs Monate lang im Spital
Rückblende: Der Unfall passierte an einem Abend. Links von der Strasse liefen Kinder, rechts spielten sie mit einem Ball oder fuhren Trottinett. Der Autofahrer näherte sich dem Zebra-Streifen. Allerdings konnten Fussgänger den Wagen wegen einer kleinen Mauer kaum sehen. Deshalb sei der Walliser in der Mitte der Fahrbahn, mit rund 45 bis 47 km/h, unterwegs gewesen.
Im selben Moment schoss ein kleiner Bub mit seinem Trotti hinter der Mauer hervor. Es knallte. Der fünfjährige Bub erlitt schwere Verletzungen und musste ins Spital gebracht werden – wo er sechs Monate bleiben musste.
Vor einigen Monaten wurde der Fall vor dem Waadtländer Kantonsgericht verhandelt. Dort wurde entschieden, dass der Lenker nicht fahrlässig gehandelt habe. Denn der Unfall sei unvermeidbar gewesen, solange Autofahrer auf der Strecke bis zu 50 Kilometer pro Stunde fahren dürfen. Ansonsten müsse das Tempolimit angepasst oder ein systematischer Halt verlangt werden.
Anwesenheit eines Kindes «nicht auszuschliessen»
Doch die Eltern wollten den Entscheid nicht auf sich sitzen lassen und legten beim Bundesgericht Beschwerde ein: Und sie bekamen recht. Nach Ansicht der Richter am Bundesgericht war die Anwesenheit eines Kindes an dieser Stelle «nicht auszuschliessen». Deswegen hätte der Walliser nicht schneller als 35 Kilometer pro Stunde fahren dürfen. Die Richter weiter: «Die Tatsache, dass ein Kind auf einem Fussgängerstreifen, der an eine Schule grenzt, mit einer Geschwindigkeit, die über der Schrittgeschwindigkeit liegt, hinter einem Hindernis hervorkommt, kann nicht als aussergewöhnlicher Umstand betrachtet werden.»
Des Weiteren wird die Tatsache, dass der Fahrer in die Mitte der Fahrbahn ausgewichen ist, von den Richtern nicht als Beweis für Vorsicht verstanden, sondern als Eingeständnis, dass er wusste, dass ein Kind vor ihm auftauchen könnte.
Das Urteil des Bundesgerichts könnte dazu führen, dass bei der Unfallstelle in Bex künftig eine Tempo-30-Zone stehen wird. (lia)