Nach dem Absturz eines Kampfjet-Piloten (†27) beim Sustenpass 2016 wurde am Dienstag vor dem Militärgericht in Muttenz BL das Urteil gesprochen. Der beteiligte Fluglotse wurde der fahrlässigen Tötung für schuldig erklärt und zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Auch wenn die von der Anklage geforderte Strafe abgeschwächt wurde, sah das Gericht seine Mitschuld am tragischen Unglück somit als erwiesen an.
Das Urteil sorgt bei Skyguide für Sorgenfalten, wie Urs Lauener, COO des Flugsicherungsunternehmens, kurz nach der Urteilsverkündung gegenüber Blick sagte: «Dieses Urteil verunsichert unsere Fluglotsen.» Auch wenn bereits Massnahmen ergriffen wurden, um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, bestätigt einen Tag nach dem Urteil auch die Medienchefin von Skyguide, Prisca Huguenin-dit-Lenoir (51), dass es aktuell für viele Mitarbeiter schwierig sei: «Klar ist die Situation im Moment emotional, nicht zuletzt, weil viele den Prozess via Live-Ticker verfolgten.»
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Offene Fehlerkultur wird grossgeschrieben
Wie Skyguide bei ähnlichen Vorkommnissen in der Vergangenheit immer wieder betont hat, werden selbst kleinste Probleme, von den Mitarbeitern freiwillig gemeldet, was dazu diene, die Sicherheit aller Beteiligten zu erhöhen. Wenn die Fluglotsen bei Fehlern eine Verurteilung zu befürchten hätten, verunsichere das nicht nur die Lotsen selbst, sondern stelle auch die offene Fehlerkultur infrage.
Kommt es gar zu tödlichen Unfällen, wird ohnehin jeder Stein umgedreht und es werden Massnahmen ergriffen. Im Fall des F/A-18 Absturzes wurden unter anderem die zeitlichen Abstände zwischen den Starts von Maschinen verlängert und die Radaranlage der Luftwaffe aus den 1960er-Jahren ausgetauscht. Die veraltete Technik war ein Mitgrund, wieso es zum Unfall kam. Darauf hatte aber weder der Lotse noch Skyguide einen Einfluss, wie Huguenin-dit-Lenoir sagt: «Das Material für die militärische Flugsicherung, wie in Meiringen, wird von der Luftwaffe zur Verfügung gestellt. Entsprechend werden unsere Fluglotsen auch auf diesem Material geschult und ausgebildet.»
Urteile, die die Luftfahrt veränderten
Noch einschneidendere Folgen für die Schweizer Luftfahrt hatte ein Absturz zweier Flugzeuge im Jahr 2002 bei Überlingen (D). Der beim Unfall diensthabende Lotse wurde zwei Jahre danach von einem russischen Mann getötet, der seine Familie beim Absturz verloren hatte. 2007 wurden vor dem Bezirksgericht in Bülach vier weitere Fluglotsen wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
Welche Konsequenzen dieses Unglück hatte, erklärt Huguenin-dit-Lenoir: «Nach diesem Unfall hat sich unser Unternehmen in Sachen Sicherheitskultur komplett verändert. Wir bauten unter anderem eine ganze Sicherheitsabteilung mit 50 Mitarbeitenden auf und der Sicherheitschef ist seither auch Mitglied der Geschäftsleitung. Unser Unternehmen ist seit diesem Unglück ein anderes.»
Selbst Beinahe-Unfälle können rechtlich sanktioniert werden. So geschehen im Jahr 2019, als das Bundesgericht einen Lotsen wegen «fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs» verurteilte, obwohl es nicht zu einem Unfall kam und der Fluglotse, als er den Fehler bemerkte, richtig reagiert hatte. Nach dem Urteil äusserte sich der damalige Sprecher von Skyguide gegenüber dem «Tagblatt» schwer enttäuscht: «Das ist ein schwarzer Tag für die Fluglotsen. Bisher hat das freiwillige Melden von Fehlern tadellos funktioniert.» Auch damals wurde der Fall proaktiv gemeldet, weshalb es überhaupt zu einer Untersuchung kommen konnte.