Kettensägenalarm mitten im Nobelkurort St. Moritz GR. Der Unterschied zu einem Horrorfilm: Es spritzte kein Blut. Noch nicht. Die frischgebackene Besitzerin einer 2,5-Zimmer-Wohnung liess ihren Mann mit einer Motorsäge auffahren, um die Wohnungstür von Nerv-Mieter Philipp S.* (53) zu öffnen. Der Bewohner hatte sich nämlich trotz Kündigung in seinen vier Wänden verschanzt – und kurzerhand das Schloss ausgewechselt.
Hintergrund des irren Zoffs: Seit dem 1. April gehört die Wohnung neu der Immobilienhändlerin. Der gebürtige St. Moritzer Kunstmaler und wegen kaputtem Rücken auch IV-Rentner sollte längst raus sein. Er hatte zwar nach der Kündigung ein Gesuch um Mieterstreckung eingereicht, beim Termin tauchte er dann aber nicht auf. «Ich habe mich entschuldigen lassen, ich konnte vor Schmerzen nicht aufstehen», so Philipp S. Er fordert einen neuen Termin.
Dreimal kommt es zum Zoff an der Tür
Doch die neue Besitzerin will nicht länger warten und sagt: «Wir haben die Wohnung ohne einen bestehenden Mietvertrag gekauft. Der Mann hält sich dort illegal auf. Wir haben ihn mittlerweile wegen Hausfriedensbruch, Drohung und Nötigung angezeigt.»
Am 1., 6. und 7. April kommt es dann zum Showdown: Der Mann der Immobilienhändlerin versucht beim widerspenstigen Mieter in die Wohnung zu gelangen. Mit der Kettensäge will er Fakten schaffen – und per Stichsäge die Tür aufsägen. Ihm gelingt der Durchbruch.
Der Nerv-Mieter wehrt sich
Doch Philipp S. wehrt sich: «Beim ersten Mal nahm ich das grosse Messer. Beim zweiten Mal setzte ich meinen selbst gebastelten Pfeilbogen ein, ohne ihn zu spannen. Beim dritten Mal wäre ich dann aber bereit gewesen, die Waffe einzusetzen, um mein Leben zu verteidigen», sagt der Engadiner zu Blick.
So weit kommt es nicht. Für die Neubesitzerin der Wohnung war der Kettensägeneinsatz trotzdem nicht daneben: «Die Türe gehört uns, wir dürfen sie auch zersägen, eben weil wir keinen Schlüssel für das neue Schloss haben. Eigentlich wollten wir nur Asbestproben im Kleber der Küchenplättchen nehmen.»
Polizei bestätigt Einsätze
Auch die Polizei war mindestens bei einem der drei Vorfälle vor Ort, bestätigt Markus Walser, Sprecher der Kantonspolizei Graubünden, auf Blick-Anfrage. Weitere Details verrät er aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht.
Dafür erinnert sich auch die Vorbesitzerin der Wohnung mit Schrecken an Philipp S.: «Er hat mir nur im ersten Jahr die Miete gezahlt. Seit über einem Jahr kam nichts mehr. Er verhinderte sogar, dass ich Kaufinteressenten die Wohnung zeigen konnte.»
Nach dem Spital erst mal zurück in die Wohnung
Momentan steht die umkämpfte Wohnung leer, denn Philipp S. liegt im Spital. Nach einer kurzen Ohnmacht fiel er auf den Kopf. Auch seine Zukunft bereitet ihm Kopfzerbrechen: «Ich muss mich wohl doch beim Sozialamt melden. Ich suche verzweifelt eine bezahlbare, behindertengerechte Wohnung. Das ist in St. Moritz kaum möglich.»
Erst mal will er nach dem Spital zurück in seine alte Wohnung – trotz Loch in der Tür. Wie seine neue Vermieterin darauf reagieren wird, ist offen.
* Name geändert