Zur Arbeit über die Grenze: Das scheint sich für Grenzgänger aus Deutschland – und aus Frankreich, Italien oder Österreich – enorm zu lohnen. So verdienen deutsche Grenzgänger in der Schweiz fast die Hälfte mehr als in ihrer Heimat, wie der «Spiegel» berichtet.
Blick hat sich unter Grenzgängern umgehört, welche finanziellen Vorteile ihnen das Grenzpendeln bringt.
«Enorme Existenzängste in der Schweiz»
Vlora J.* (33) und ihr Mann Pascal J.* (34) leben in Deutschland und arbeiten beide in der Schweiz. Sie ist in einem 60-Prozent-Pensum als Büroangestellte und er als Logistiker angestellt. Zusammen verdienen sie 5800 Franken netto. «Als wir noch in der Schweiz gelebt haben, wurde es jeden Monat knapp, mein eigener Lohn reichte entweder für die Kita oder unsere 3,5-Zimmer-Wohnung», sagt sie. «Wir mussten die Rechnungen hin und her schieben, um irgendwie klarzukommen. Sparen lag nicht drin.»
Ihr deutscher Mann zog im März 2020 aufgrund der Beziehung und der Geburt der gemeinsamen Tochter aus Deutschland in die Schweiz. Im August 2020 heiratete das Paar. Doch die finanzielle Situation in der Schweiz machte der dreiköpfigen Familie zu schaffen: «Wir hatten enorme Existenzängste. Deshalb kriselte es manchmal in unserer Beziehung.»
In der Hoffnung auf ein besseres Leben zieht das Paar im Oktober 2021 von Oberkulm AG nach Küssaberg, nahe Waldshut-Tiengen. «Seit wir Grenzgänger sind, ist unser Leben wieder wunderbar», sagt die inzwischen zweifache Mutter. «Wir leben etwas luxuriöser, können uns mehr für die Kinder leisten, Ausflüge machen und sogar noch sparen.» 500 Euro sparen liege locker drin – trotz höherer Steuern, die sie als einzigen Nachteil empfindet.
Ihr Budget: «Wir bezahlen für unsere 4,5-Zimmer-Wohnung 1100 Euro Miete, die Krankenkassenkosten liegen für uns vier bei 600 Euro, unsere Handys bei 140 Euro. Hinzu kommen 150 Euro fürs Essen und Hygiene- und Reinigungsprodukte pro Woche, 50 Euro pro Woche für unsere Hunde. Und der Kindergartenplatz kostet nur 105 Euro im Monat. Dadurch, dass ich inzwischen vorwiegend im Homeoffice arbeite, habe ich kaum Fahrkosten, und mein Mann hat durch den Umzug einen kürzeren Arbeitsweg. So verbraucht er nur rund 200 Euro fürs Tanken.»
«Ich kann einen Tausender pro Monat zurücklegen»
Grenzgänger Angelo S.*(39) arbeitet seit 17 Jahren in der Schweiz, vorwiegend in der Region Basel und in der Sicherheitsbranche. Der Italiener kam in Deutschland zur Welt und hatte dort seinen Lebensmittelpunkt, bis er vor zwei Jahren nach Blotzheim in Frankreich zog. Der Grund: «Ich habe in der Schweiz netto 4500 Franken verdient. Die Steuern, die alle drei Monate in Deutschland anfielen, haben mich fast gekillt.» Auch habe die Liebe angeklopft. «Meine Ex hat schon hier gelebt.»
Und obwohl die Beziehung aus ist, bleibt S. in Frankreich: «Ich glaube, ich habe die ideale Lösung gefunden: Ich arbeite in der Schweiz, verdiene super, zahle kaum Miete in Frankreich und gehe billig in Deutschland einkaufen.»
Sein Budget: «Bei meinem neuen Arbeitgeber verdiene ich zwar nur 4200 Franken. Meine Miete für meine 2-Zimmer-Wohnung liegt bei 700 Euro. Mit Internet und Strom etc. komme ich auf 1000 Euro im Monat. 260 Euro im Monat kostet seine Krankenversicherung. 250 Euro sind Steuern pro Monat, 100 Euro kostet pro Woche das Essen, und mein Handy-Abo liegt bei 40 Euro im Monat. Und ich tanke monatlich für rund 100 Euro.» Er profitiere enorm vom Grenzpendeln: «So kann ich – trotz teurerem Lebensstil – einen Tausender pro Monat zurücklegen und locker zwei, dreimal pro Jahr in die Ferien gehen.»
Vorzüge der Grande Nation
Daniel Kalt (59) wohnt fünf Kilometer von der Schweizer Grenze bei Basel entfernt in Frankreich. Seit 1981 arbeitet er in der Schweizer Kälte- und Klimabranche. Und profitiert von den Vorzügen der Grande Nation. Sein Haus hat er abbezahlt.
Beim Einkauf in Frankreich kommt er gut weg. «Fleisch ist 50 Prozent günstiger als in der Schweiz. Getränke und Lebensmittel sicher auch», sagt er. Der Grenzgänger kommt also bei jedem Einkauf in den Genuss der günstigen Preise ennet der Grenze. Nur Hygiene- und Reinigungsprodukte seien mittlerweile in beiden Ländern etwa gleich teuer.
*Name geändert