«Die kleine Bergschule meiner Tochter sucht ab Schuljahr 2024/25 dringend eine Lehrperson (30-40%) für die Klassenstufen 3 bis 6.» So beginnt ein Facebook-Post, der seit Mittwoch Abend viral geht. Braunwaldner Kinder wie Tara, Pirmin und Livia wünschen sich nichts mehr, als weiterhin in ihrem Glarner Bergdorf zur Schule gehen zu dürfen.
Das ist verständlich, denn Braunwald ist ausnehmend schön: Im autofreien, idyllischen Wintersport-Sehnsuchtsort lockt auch im Sommer die Aussicht auf schneebedeckte Gipfel, frische Bergluft und viel blauer Himmel. Eigentlich müsste diese Stelle also für jeden überlasteten Lehrer aus dem Flachland ein Traumjob sein: Inmitten frischer Bergluft und nahezu unberührter Natur, mit kleinen Klassengrössen, die aus lauter bodenständigen Kindern zusammengesetzt sind und erst noch in einem angenehmen Teilzeitpensum. Im Winter kommt man mit den Ski ausserdem direkt vom Schulhaus aus auf die Skipiste – man kann also über Mittag Skifahren gehen.
Doch die Primarschule Braunwald könnte vor dem Aus stehen: Wenn bis Ende Mai niemand gefunden wird, um auf den 1. August 2024 eine 30- bis 40-Prozent-Stelle zu besetzen, muss die ganze Schule nach 173 Jahren schliessen. Die dreizehn Kinder der – nach den Sommerferien – dritten bis sechsten Klasse, die zum Teil gemeinsam unterrichtet werden, müssten dann ins Tal im Dorf Linthal zur Schule, mit der Bergbahn, die nur halbstündlich fährt. Einige der Kinder müssten zusätzlich einen längeren Fussweg zur Bergbahn unternehmen oder vielleicht kämen Sammeltaxis zum Einsatz.
Für Eltern wie Thomas Gilgen (56) und Nina Brunner (43) wäre dies ein grosser Verlust: «Die Kinder haben hier im autofreien Bergort grosse Freiheiten, auch auf ihren teils längeren Schulwegen. Das geniessen sie auch und ausserdem ist es eine besondere Qualität, wenn sie am Mittag zu Hause essen können oder direkt neben dem Schulhaus beim betreuten Mittagstisch im Hotel Tödiblick», sagt Gilgen.
Eltern suchen Lösungen betreffend Anfahrt und Unterkunft
Der «Openbroadcast»-Radiomacher und seine Frau leben mit ihrer Familie seit bald acht Jahren in Braunwald, ihre Tochter Nica (9) wurde seinerzeit im Bergkindergarten eingeschult. Mehrere Eltern sind jetzt aktiv geworden. Ein Facebookpost, den Gilgen vorgestern abgesetzt hat, ging fast sofort durch die Decke: Mehrere tausendmal wurde seine Suche nach einer neuen Lehrperson in kürzester Zeit geteilt.
Gilgen und Brunner, als Vertretung der Eltern, sehen mehrere Probleme bei der Stellenbesetzung: «Zum einen ist es nur ein Pensum von 30 bis 40 Prozent. Ein Umzug lohnt sich so kaum», sagt Gilgen. Er wäre auch schwierig zu bewerkstelligen: Auf Homegate ist aktuell keine einzige Wohnung im kleinen Braunwald ausgeschrieben. Doch die Elterngruppe, die sich für das Fortbestehen «ihrer» Schule einsetzt, hat bereits Ideen für Übernachtungsmöglichkeiten und finanzielle Unterstützungen betreffend des Arbeitswegs gesammelt – etwa ein von den Eltern zur Verfügung gestelltes GA. Brunner ist zudem Teil einer Initiative, die mehr Familien nach Braunwald locken möchte – und bei der Wohnungsvermittlung behilflich ist. «Der Erhalt der Schule ist uns sehr viel wert – auch im Sinne eines weiterhin lebendigen Dorflebens», sagt Brunner.
Der Enthusiasmus der Eltern könnte juristisch schwierig aufzufangen sein
Doch die Initiative der Eltern könnte am Gesetz scheitern. Die Schulleiterin Monica Zweifel argumentiert mit der Personalverordnung der Gemeinde: «Es dürfen keine Geschenke angenommen werden, welche den sozial üblichen Rahmen sprengen. Was hier der Fall wäre.» Die 56-Jährige weiter: «Die Idee von den Eltern ist im ersten Moment bestechend und im zweiten Bestechung.» Auch der Gemeinderat und Präsident der Schulkommission Hansueli Rhyner (66) stösst ins selbe Horn: «Brunwald ist keine einzelne Gemeinde, sondern gehört zu Glarus Süd. Wir haben insgesamt 150 Lehrkräfte, da kann man nicht einer einzelnen Person ein bezahltes GA oder Gratisübernachtungen anbieten.»
Die Behörden von Glarus Süd wollen nun juristisch abklären lassen, ob eine Lösung, bei der die Eltern finanziell mithelfen, überhaupt zulässig ist. «Aber auch wenn sich herausstellt, dass dies nicht möglich ist, ist noch nicht Matthäus am Letzten», sagt Rhyner. Die Schulschliessung sei die letzte Lösung: «Bis zum 27. Mai schauen wir, ob eine Bewerbung einer qualifizierten Lehrperson eintrifft, danach öffnen wir das Stellenangebot für Quereinsteiger. Und falls sich dann niemand bewirbt, prüfen wir einen Lektionenabbau – aber das möchten wir eigentlich auch vermeiden. Die Schule wird nur geschlossen, wenn es gar nicht anders geht.»
Gilgen, Brunner und die anderen Eltern haben derweil Grund zur Hoffnung, dass ihre Facebook-Aktion eine geeignete Lehrperson erreicht: Bei Redaktionsschluss stand die Nummer der Anzahl Shares auf über
13'000. Das ist mehr als ein Post von Roger Federer oder Taylor Swift.