«Ich fühle mich nicht geschützt»
Schulleiter kritisiert lasche Massnahmen im Corona-Hotspot Oberbalm

In zwei Berner Gemeinden ist die Corona-Inzidenz extrem hoch. Gründe seien steigende Ansteckungen an Schulen und eine mögliche Skepsis vonseiten der Bevölkerung. Massnahmen ergreifen die Gemeinden aber nur zögerlich.
Publiziert: 23.11.2021 um 19:30 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2021 um 10:32 Uhr
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An der Schule Oberbalm steigen die Infektionszahlen von Woche zu Woche.
Foto: oberbalm.ch
Jana Giger

Die Zahl der Corona-Fälle steigt wieder rasant. Jeden Tag stecken sich in der Schweiz Tausende mit dem Virus an. Je nach Kanton nehmen die Infektionen aber unterschiedlich stark zu. Nach dem Stand vom 22. November ist die 7-Tage-Inzidenz im Kanton Schwyz mit 876,9 am höchsten. Dicht gefolgt von Appenzell Ausserrhoden mit 871,5.

Bern steht mit einem Wert von 451,9 vergleichsweise gut da. Ein Blick auf die einzelnen Gemeinden zeigt jedoch, dass das nicht im gesamten Kanton der Fall ist. In Oberbalm, einer Gemeinde mit 881 Einwohnern, liegt die 7-Tage-Inzidenz bei über 2800. Das heisst: Hochgerechnet auf 100'000 Einwohnerinnen und Einwohner hätten sich 2800 Menschen während einer Woche mit dem Virus angesteckt. Verglichen mit der Bevölkerungszahl mehr als doppelt viele wie in Österreich.

Der Oberbalmer Gemeindeschreiber Hanspeter Ruef führt den hohen Inzidenzwert auf die steigenden Corona-Zahlen in der Schule zurück. Dem stimmt auch Schulleiter Lars Klopfstein zu. «Die Situation ist zurzeit besonders extrem. Die Ansteckungen haben auf einen Schlag zugenommen», sagt er. Warum, könne er nicht eindeutig sagen.

«Ich fühle mich nicht geschützt»

Wie überall in Bern kann die Schulleitung in Oberbalm ab der fünften Klasse eine Maskenpflicht einführen. Bei den jüngeren Kindern allerdings nicht. Ein Fehler, findet Klopfstein. «Bei den Dritt- und Viertklässlern würde die Maske am meisten nützen», sagt er. Und er wird noch deutlicher: «Die Massnahmen an der Schule sind nicht griffig. Nach einem gemeldeten Corona-Fall geht es viel zu lange, bis grossflächig getestet wird. Ich fühle mich nicht geschützt.»

Anfang September stoppte der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (58) die Massentests an Schulen – mit Verweis auf eine tiefe Corona-Inzidenz. Wie der SonntagsBlick berichtete, waren die von Schnegg kommunizierten Zahlen fragwürdig. Schnegg dementierte. Und sagte, dass Ausbruchstestungen viel schneller und effektiver seien als Massentests.

Klopfstein meint dazu: «Ich finde Ausbruchstestungen eine gute Idee, doch in der Praxis dauert es zu lange. Wir hatten an einem Sonntag eine Meldung über einen positiven Fall, getestet wurde jedoch erst vier Tage später.» Laut Klopfstein tragen die Ansteckungen in der Schule eindeutig zum hohen Inzidenzwert bei. Doch er bezweifle, dass es allein daran liege.

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«Manche Einwohner haben eine gewisse Skepsis gegenüber der Pandemie»

Oberbalm, zwischen der Stadt Bern und Thun gelegen, sei eine konservative Gemeinde. «Ich kann mir vorstellen, dass manche Einwohner eine gewisse Skepsis gegenüber der Pandemie haben», sagt Klopfstein. Das könne ein weiterer Grund für die steigenden Ansteckungen sein.

Trotz hohem Inzidenzwert findet in Oberbalm am 29. November die Gemeindeversammlung statt. Gemeindeschreiber Ruef sagt, dass dies unter Rücksicht auf Schutzmassnahmen vertretbar sei. Es gelte eine Maskenpflicht, und die Kontaktdaten der Teilnehmer würden erfasst.

Eine zweite Gemeinde in Bern, die mit einem sehr hohen Inzidenzwert heraussticht, ist Gerzensee. Der 7-Tage-Schnitt liegt in der Ortschaft mit 1032 Einwohnern bei über 2500. Auf Anfrage von Blick sagt der Gemeindeschreiber Erhard Germann: «Uns ist die hohe Zahl bewusst. In der Schule kommt es aktuell zu sehr vielen Ansteckungen, und dank der 3G-Regel sind wieder mehr Anlässe erlaubt, wo viele Leute zusammenkommen.»

Absagen wegen steigender Zahlen

Vor etwas mehr als einer Woche organisierte der FC Gerzensee noch einen Raclettetag. Ohne Zertifikat, aber draussen. Für Germann sei die Durchführung trotz der aktuellen Situation kein Fehlentscheid gewesen. «Der Verein hat das Essen unter Einhaltung der Schutzkonzepte bewusst im Freien in einem Zelt veranstaltet, das auf den Seiten geöffnet war», sagt er zu Blick.

Gewisse Massnahmen ergreift die Gemeinde aufgrund der vielen Ansteckungen nun aber doch. «In der Schule werden jene Klassen getestet, in denen es positive Corona-Fälle gab», sagt Germann. Ausserdem seien der Schlussabend der Feuerwehr am 26. November und der Chlousemärit vom 12. Dezember abgesagt worden. Die Gemeindeversammlung finde nach aktuellem Stand statt – genau wie in Oberbalm mit Maskenpflicht und Angabe der Kontaktdaten.

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