Ali Ekici (38) verlor von einer Sekunde auf die andere seine Mutter Naciye (†55), seinen Vater Mehmet (†64) und Schwager Bülent (†42). Die drei Baselbieter waren am 27. November 2019 in ihrem Renault auf der A3 in Richtung Zürich unterwegs, als ein Porsche vor dem Bözbergtunnel in ihren Wagen donnerte und sie in einen LKW schob. Das Trio hatte keine Chance.
Knapp zwei Monate sind seit dem Drama vergangen. In der Wohnung der Eltern in Oberwil BL herrscht seither Leere und Stille – BLICK traf den Baselbieter Koch dort zum Gespräch.
Die leere Wohnung ist voller Erinnerungen
Der älteste Sohn des verunglückten Ehepaars sitzt in der Stube auf dem Sofa. Bilder erinnern an glückliche Zeiten. Hier kam die alevitische Familie oft zusammen. «Immer wenn ich in ihrer Wohnung bin, denke ich, dass sie auch gleich nach Hause kommen. Wir haben uns eigentlich alle zwei Tage gesehen, jeden Tag telefoniert», sagt Ali Ekici. «Wir trauern noch immer, können es immer noch nicht glauben. Nach so vielen Wochen haben wir kaum noch Tränen übrig.»
Er erinnert sich an den Tag der Tragödie. Er ist bei einem Kollegen in Allschwil BL, als sein Handy klingelt. Seine Schwägerin ist dran. «Ich wusste gleich, dass etwas nicht stimmte.» Auf Blick.ch sieht er die Bilder des Unfalls. Bange Stunden und zermürbende Ungewissheit folgen. Er hofft bis zuletzt. Doch um 21 Uhr, zwölf Stunden nach dem Horror-Crash, herrscht traurige Gewissheit.
Zusammenbruch nach der Todesnachricht
«Als ich erfahren habe, dass meine Eltern und mein Schwager tot sind, bin ich zusammengebrochen», sagt Ekici und kämpft mit den Tränen. Dann erzählt er von seinen Eltern. Der Anflug eines Lächelns huscht über sein Gesicht. «Unsere Liebe in der Familie hat für die ganze Welt gereicht. Meine Eltern haben alle jungen Menschen wie ihre eigenen Kinder umarmt. Sie waren immer hilfsbereit, haben hart gearbeitet. Mein Vater hat immer gesagt: ‹Der Spiegel eines Mannes ist die Arbeit.›»
Mehmet Ekici kam Anfang der 1980er in die Schweiz, hat 30 Jahre lang als Lagerist für Coop gearbeitet. Dieses Jahr sollte er pensioniert werden. «Weil er noch Papiere für die AHV gebraucht hat, sind sie nach Zürich zum türkischen Konsulat gefahren.» Dort kommen sie nie an.
Vor dem Nordportal des Bözbergtunnels kommt es auf der A3 bei Effingen AG zum Crash. Der Montenegriner Darko G.* (45) kracht mit seinem weissen Porsche Cayenne in den Renault Kadja, in dem Ekicis Eltern und Schwager sitzen. Der rote SUV wird in einen Anhängerzug gerammt und völlig zerquetscht. Die drei Baselbieter sind sofort tot.
Trauerfeier unter grosser Anteilnahme
Fünf Tage nach dem Unfall werden sie unter grosser Anteilnahme in ihrer türkischen Heimat beigesetzt. Über 2000 Trauergäste nehmen an der Beerdigung im 100-Seelen-Dorf Doganpinar in der Provinz Tunceli teil. Die Trauer bei den Baselbieter Aleviten ist gross. Die Gemeinschaft steht Ekicis Familie in dieser schweren Zeit bei.
Gegen Darko G. wurde eine Strafuntersuchung wegen mehrfacher vorsätzlicher beziehungsweise fahrlässiger Tötung eröffnet. Ekici klagt an: «Der Porsche-Fahrer ist ein Mörder. Es war ein Massaker. Ich hoffe, dass er nie mehr richtig schlafen kann.» Er fügt an: «Ich will ihm in die Augen schauen. Er soll unsere Trauer sehen. Mein Schwager hat eine fünfjährige Tochter. Sie muss jetzt ohne ihren Vater aufwachsen. Er hat unser Leben ruiniert, uns die Wurzeln gezogen», sagt Ekici. Sein grösster Wunsch in all der Wut: «Ich will, dass er für lange Zeit ins Gefängnis kommt.»
*Name geändert