Seit die Stimmbevölkerung die Diskriminierung weiterer Minderheiten mit deutlicher Mehrheit unter Strafe stellte, sind Aufrufe zu Hass und öffentliche Beschimpfungen wegen sexueller Orientierung in der Schweiz offiziell verboten.
Das Votum vom 9. Februar 2020 markiert eine Zäsur im Kampf für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgenders und Queers (LGBTQ).
Attacken und Übergriffe auf sexuelle Minderheiten, sogenannte Hassdelikte, hatten im vergangenen Jahr aber deutlich zugenommen, wie die Schwulenorganisation Pink Cross, die Lesbenorganisation Schweiz und das Transgender Network anlässlich des heutigen Internationalen Tages gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie festhalten.
Die Organisationen betreiben seit vier Jahren eine Beratungsplattform für Betroffene. 2019 gingen dort 66 Meldungen ein, 42 waren es im Jahr davor. Rund ein Drittel der Betroffenen wurden Opfer von Gewalt – zum Teil mit gravierenden Folgen wie Gehirnerschütterungen oder Knochenbrüchen. Einem weiteren Drittel wurde Gewalt angedroht, Beleidigungen und Beschimpfungen inklusive.
Viele Opfer melden sich nicht
Die Berater vermuten, dass Opfer das Erlittene häufig für sich behalten. «Die Dunkelziffer ist enorm. Viele Betroffene scheuen sich noch immer, Übergriffe zu melden», sagt Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross. Was aber auch daran liegen könne, dass viele die Helpline überhaupt nicht kennen.
Andererseits scheuten manche Opfer auch den Gang zur Polizei. Nicht einmal alle von Pink Cross registrierten gewalttätigen Attacken seien angezeigt und juristisch verfolgt worden. Diese Hemmschwelle müsse abgesenkt werden, fordert Heggli: «Die Politik muss die Weichen stellen. Wir sind mit unserer Helpline bereits am Anschlag.» Eine breite Sensibilisierungskampagne sei notwendig, ebenso eine nationale Meldestelle.
Angriffe draussen im Sommer
Was auffällt: Zwei Drittel der Attacken geschahen nicht etwa im Verborgenen, sondern auf offener Strasse, an Haltestellen oder in Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs. Im Jahr 2019 häuften sich die Fälle während der Sommermonate, als viele Personen im Freien unterwegs waren.
Roman Heggli lässt sich aber nicht einschüchtern: «Ich laufe bewusst Hand in Hand mit meinem Partner durch die Stadt. Angst wäre falsch, doch es besteht die Gefahr, dass man an die falschen Leute gerät.»