Gericht nimmt Seefeld-Killer in die Mangel
«Weshalb kauften Sie sich keine Pistole?»

Am Donnerstag wurde dem Seefeld-Killer Tobias K. und seinem mutmasslichen Anstifter Irvidias M. der Prozess gemacht. Dabei nahm das Gericht den Schweizer in die Mangel, während der Litauer schwieg.
Publiziert: 25.08.2022 um 18:39 Uhr
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Aktualisiert: 25.08.2022 um 19:17 Uhr
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Tobias K. tötete einen völlig Unbekannten. Nun droht ihm eine lebenslange Strafe.
Foto: kapo zh
Viktor Dammann

Den Höhepunkt der Verhandlung am Donnerstag vor dem Zürcher Obergericht bildete die unerbittliche Befragung durch Gerichtspräsident Christian Prinz. Der Richter wollte von den beiden Angeklagten wissen, wie es 2016 zum Zürcher Seefeld-Mord gekommen war.

Um seine Freilassung zu erpressen, soll der Litauer Irvidias M.* (41) den Schweizer Tobias K.* (29) angestiftet haben, notfalls ein Zufallsopfer zu töten. Gemäss Staatsanwalt Adrian Kägi hatte der Litauer dem Schweizer unter anderem erzählt, es gehe um eine Millionen-Schweigezahlung des Zementbarons Thomas Schmidheiny (76). Zudem würden er selber und Tobias K. bedroht. Beide seien in grosser Gefahr. Und so ging Tobias K. während eines Hafturlaubs in einen Coop, kaufte sich ein Messer und tötete IT-Spezialist M. S.* († 42), der rauchend auf einer Mauer sass.

Der Verteidiger von Tobias K. plädiert für eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung und eine Strafe von 12 Jahren. Der Anwalt des Litauers fordert einen Freispruch. Der Staatsanwalt will für beide eine lebenslange Strafe und eine Verwahrung. Das Urteil soll am Freitag verkündet werden.

Während der mutmassliche Anstifter nicht vor Gericht aussagen will, will der Seefeld-Killer Rede und Antwort stehen. Er erscheint zum Prozess in einem blauen Anzug, wirkt durchtrainiert. Und dann nimmt Gerichtspräsident den Schweizer in die Mangel. Ein Protokoll.

Gerichtspräsident Prinz: Haben Sie ihm (Irvidias M.) blind geglaubt?
Tobias K: Leider stimmt das. Ich habe es offensichtlich nicht genügend hinterfragt.

Hatte er ihnen erzählt, Herr Schmidheiny und hohe Bundesbeamte hätten ihn im Gefängnis besucht?
Er zeigte mir sogar Besuchsbewilligungen auf offiziellem Briefpapier der Strafanstalt Pöschwies.

Wie kam es überhaupt zu diesem Befreiungsplan?
Es ging um ein falsches Verständnis von Freundschaft und Loyalität. Er ist ein verlogener Schweinehund.

Hatten Sie Angst um Ihre Tochter?
Ja, um die Sicherheit meiner Familie und auch um meine.

Weshalb holten Sie sich keine Hilfe?
Ich wollte meine Familie nicht reinziehen.

Man sprach konkret über die Tötung mit einer Schusswaffe, Sie kauften jedoch ein Fleischmesser, mit dem sie fünf Mal auf das Opfer einstachen. Warum wurde er ihr Opfer?
Ich wünschte, ich könnte ihnen dies erklären.

Weshalb kauften Sie sich keine Pistole?
Die bekommt man nicht im Coop.

Haben Sie die Familie Ihres Opfers jemals um Verzeihung gebeten? Dann machen Sie es!
Tobias K. wendet sich an die Angehörigen und entschuldigt sich. «Es tut mir leid.»

Erhalten Sie Besuch?
Ja, meine Familie, meine Tochter, die Ex-Partnerin und meine neue Partnerin. Ich habe sie als Sozialarbeiterin im Gefängnis Winterthur kennengelernt.

Weshalb wollten Sie sich im Darknet eine Waffe besorgen?
Zu meiner eigenen Sicherheit, ich war in einer Ausnahmesituation. Sicher nicht, um jemand weiteren zu töten. Ich lasse mir nichts andichten.

Wie leben Sie damit, einen Wehrlosen richtiggehend massakriert zu haben?
Es ist mir sehr bewusst. Doch irgendwie muss man weiterleben.

Was sagen Sie zum Antrag auf Verwahrung?
Ich war bei der Tat 22 Jahre alt. Ich frage mich, ob man so jemanden bis zum Ende des Lebens wegsperrt.

Diese Frage stellt sich den Angehörigen des getöteten IT-Fachmannes (42) nicht. Seine Mutter verlangt, dass der Mörder nie mehr freigelassen wird. Desgleichen die Freundin des Opfers. Sie meinte am Ende des Prozesses zu Tobias K.: «Mit deiner Tat hast du mir unendliche Schmerzen zugefügt.» Sie hätten heiraten wollen.

Staatsanwalt Adrian Kägi nahm Tobias K. nicht ab, Reue zu empfinden. Gemäss Gutachten sei die Rückfallgefahr mittel bis hoch. Nur mit einer Verwahrung könne man dieser Gefahr begegnen. Das Urteil soll Morgen um 17 Uhr verkündet werden.

* Namen bekannt


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