Kritik im Vorfeld des G7-Gipfels
Behörden riegeln Biarritz aus Angst vor Protesten ab

Im Vorfeld des G7-Gipfels in Frankreich hat sich Kanada gegen eine baldige Wiederaufnahme Russlands in den Kreis der G7-Staaten ausgesprochen. Kritik gibts auch der mangelnden Akkreditierungen für Vertreter der Zivilgesellschaft.
Publiziert: 23.08.2019 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 26.08.2019 um 08:29 Uhr
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Während des G7-Gipfels erhöht die Polizei und das Militär ihre Präsenz in Biarritz massiv.
Foto: keystone-sda.ch

Grundsätzlich würden es aber alle begrüssen, wenn sich Russland wieder dem Kreis der Staaten anschliessen würde, die sich der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichtet fühlen.

US-Präsident Donald Trump hatte sich vor dem G7-Gipfel im französischen Biarritz erneut für die Wiederaufnahme Russlands in die Staatengruppe ausgesprochen. Moskau zeigte sich offen.

Der Verbund führender Industriestaaten hatte Russland im Jahr 2014 als Reaktion auf die Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel ausgeschlossen. Er war damit von der G8- zur G7-Gruppe geschrumpft.

Umwelt-NGOs boykottieren G7-Gipfel

Kurz vor dem G7-Gipfel in Biarritz sieht sich Frankreichs Regierung mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie die Teilnahme von Vertretern der Zivilgesellschaft stark eingeschränkt habe. Das französische Klimaschutznetzwerk Réseau Action Climat (RAC) kündigte daher am Donnerstag seinen Boykott des Gipfels an.

Da die französische Regierung die Teilnahme von Vertretern der Zivilgesellschaft stark eingeschränkt habe, blieben die RAC-Mitglieder dem Gipfel fern, sagte Lucile Dufour von RAC auf einer Pressekonferenz in Paris. In dem Netzwerk haben sich 32 nationale und lokale Organisationen zusammengeschlossen, unter anderem Greenpeace, Oxfam Frankreich und der WWF.

G7 nur ein Gipfel der Reichen?

Die Akkreditierungen für Vertreter der Zivilgesellschaft seien auf einem «historisch niedrigen Niveau», kritisierte Dufour. Nur 25 Organisationen seien zugelassen worden, während es in den Vorjahren rund 100 gewesen seien.

Zudem hätten die Organisationen weder Zugang zum Gipfel selbst noch zum Pressezentrum, obwohl dies in den vergangenen zehn Jahren gängige Praxis gewesen sei. Die Entscheidung sei ein «Angriff auf die Meinungsfreiheit», sagte Dufour.

Auch die Kinderhilfsorganisation World Vision übte Kritik. «Es ist ein Skandal, dass die Nichtregierungsorganisationen in einer westlichen Demokratie aussen vor gelassen werden», erklärte Marwin Meier, politischer Referent von World Vision.

Hilfsorganisationen würden von der Politik zunehmend als Bedrohung angesehen, dabei repräsentierten sie die Menschen, deren Stimme auf den «Gipfeln der Reichen» kaum gehört werde, erklärte Meier.

Staaten verschärfen selber globale Ungerechtigkeit

Der Gipfel der sieben grossen Industrieländer steht unter dem Motto «Kampf gegen die Ungleichheit». Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erwartet dazu ab Samstag unter anderem US-Präsident Donald Trump, den britischen Premierminister Boris Johnson und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.

Aus Sicht der Entwicklungsorganisation Oxfam ist es jedoch die Politik der G7-Staaten, die die weltweite Ungleichheit verschärft. «Ungerechte Steuersysteme und schädliche Steuerpraktiken verhelfen Unternehmen und reichen Einzelpersonen zu drastischen Gewinnen», kritisierte die Organisation.

Es fehlt an Investitionen in allen Bereichen

Das Geld fehle für Investitionen in die Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsysteme in den Entwicklungsländern. Zudem müssten die G7-Staaten deutlich mehr für den Klimaschutz tun, forderte Oxfam. Dürren, Stürme und Überschwemmungen raubten bereits heute Millionen Menschen ihre Existenzgrundlage und verschärften Armut und Hunger.

Die entwicklungspolitische Organisation One rief die G7-Staaten zu konkreten Massnahmen und finanziellen Zusagen für Geschlechtergerechtigkeit weltweit auf. «Wir stecken in einer regelrechten Sexismus-Krise. Wenn wir in diesem Schneckentempo weitermachen, dauert es 108 Jahre, bis wir wirklich Gleichberechtigung auf der Welt haben», erklärte Stephan Exo-Kreischer, Deutschland-Direktor von One.

Behörden riegeln Biarritz ab

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Die Bereiche in Biarritz, die für den Gipfel gesperrt wurden. Orange markiert den Sicherheitsbereich und Rot die Hauptorte des Forums, an denen eine verstärkte Sicherheitsstufe gilt.

Aus Angst vor Ausschreitungen haben die französischen Behörden Biarritz abgeriegelt. Macron will Szenen ähnlich wie beim G20-Gipfel in Hamburg vor zwei Jahren vermeiden.
Während der drei Gipfeltage sind nach Angaben von Innenminister Christophe Castaner rund 13'200 Sicherheitskräfte im Einsatz. Unterstützt werden sie von Anti-Terror-Kräften der Armee.  «Unsere Wachsamkeit ist maximal», sagte Castaner.

Frankreich hat beim Gipfel auch ein spezielles Auge auf möglichen Terror. Castaner sagte, es gebe ein dauerhaftes Terrorrisiko in Frankreich, auch beim Gipfel. Bei Anschlägen islamistischer Gewalttäter waren in den vergangenen Jahren rund 250 unschuldige Menschen getötet worden.

Macron will Amazonas zum Thema machen

Die verheerenden Waldbrände im Amazonas-Gebiet sollen auf die Tagesordnung des G7-Gipfels und könnten handfeste Konsequenzen für Brasilien haben: Nach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach sich am Freitag auch die deutsche Regierung dafür aus, bei dem Treffen am Wochenende in Biarritz über die verheerenden Brände zu sprechen.

Macron kündigte überdies eine Blockade des Freihandelsabkommens mit dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur an und bezichtigte Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro der Lüge.

Macron sei zum Schluss gekommen, dass der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro ihn über seine Umweltschutz-Absichten «belogen» habe, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter Macrons. «Unter diesen Umständen lehnt Frankreich das Mercosur-Abkommen in seiner jetzigen Form ab», hiess es.

Die Regierung in Paris sieht das Mercosur-Abkommen schon länger kritisch, auch aus Sorge um französische Landwirte. Sie hatte sich Anfang Juli gegen eine rasche Ratifizierung des von der EU ausgehandelten Vertrags ausgesprochen und zusätzliche «Garantien» etwa für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes verlangt.

Unterstützung von Merkel

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sei «ganz genau» wie Macron der Ansicht, dass die Lage am Amazonas auf die G7-Tagesordnung gehöre, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Schliesslich handle es sich um eine «akute Notlage des Amazonas-Regenwalds»

«Das Ausmass der Brände ist erschreckend und bedrohlich nicht nur für Brasilien, sondern für die ganze Welt», sagte Seibert. Allerdings müsse das Thema «im Dialog und in Zusammenarbeit mit Brasilien angegangen werden».

Bolsonaro schiesst gegen Macron

Bolsonaro hatte am Donnerstag scharfe Attacken gegen Macron gefahren. Dass dieser beim G7-Gipfel in Abwesenheit der Länder der Amazonas-Region über die Waldbrände sprechen wolle, offenbare eine «kolonialistische Mentalität». Macron wolle eine «innere» Angelegenheit Brasiliens und anderer Staaten im Amazonas-Gebiet politisch «instrumentalisieren».

Macron hatte die schweren Waldbrände im Amazonasgebiet als «internationale Krise» bezeichnet. Die «Lunge unseres Planeten» stehe «in Brand», schrieb er bei Twitter. Er werde mit den anderen G7-Mitgliedern beim Gipfel in Biarritz am Wochenende «über diesen Notfall sprechen». (SDA)

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Das G7-Forum versucht Antworten auf globale Herausforderungen zu finden und ergänzt die wirtschaftspolitische Koordinierung der G20. Wegen der Verletzung der Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Ukraine durch Russland findet seit 2014 das Format der Regierungschefs als G7 statt G8 statt.

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