Löchrige Strassen, instabile Gebäude und abrutschende Hänge: In manchen Regionen Russlands erleben die Menschen die Folgen des Klimawandels unmittelbar vor der eigenen Haustüre. Auslöser ist die extreme Hitze. Diese führt zu verheerenden Waldbränden und schmelzenden Permafrostböden.
Einsturzgefahr von Häusern steigt
Fast zwei Drittel der Bodenfläche in Russland sind dauerhaft gefroren. «Wenn der Permafrostboden auftaut, besteht die Gefahr, dass Wohnhäuser einstürzen – gegenwärtig ein gefährlicher Trend», sagt der Ingenieur Ali Kerimow.
In vielen Permafrostgebieten stehen die Häuser auf Pfählen, die zehn bis 30 Meter in die Tiefe reichen. Sie sollen verhindern, dass Gebäude bei Temperaturschwankungen zusammenbrechen. Risse an den Aussenwänden von Häusern zeigen aber: Der Boden ist in Bewegung. Wenn es immer wärmer wird, senkt sich der Boden tiefer ab - und Pfähle könnten Häuser kaum noch vor dem Einsturz bewahren.
Jedes dritte Gebäude ist beschädigt
In Norilsk, der nördlichsten Grosstadt der Erde, müssen bereits heute 240 Häuser wegen der steigenden Temperaturen von Grund auf saniert werden oder sind nicht mehr bewohnbar. Jedes dritte Gebäude habe schon jetzt Deformationen, sagt Dmitri Karassjow, der Bürgermeister von Norilsk. Auf neue Hochhäuser verzichtet die Stadt bereits und seit 2002 wurden nur noch kleinere Gebäude auf dem tauenden Boden gebaut.
Das russische Umweltministerium schätzt, dass sich die Schäden im Zusammenhang mit dem tauenden Permafrost bis 2050 auf bis umgerechnet 57 Milliarden Euro belaufen könnten. Geld, das an anderer Stelle fehlen könnte, etwa für Sozialausgaben.
Damit Häuser auf schmelzendem Permafrost nicht zusammenbrechen, werden Fundamente und Böden mittels Thermostabilisatoren künstlich gekühlt.
Gefährliches Methan entweicht
Die extreme Hitze in Russland vor einem Jahr hat grosse Mengen Methan freigesetzt. Zur Veranschaulichung: Permafrostböden sind wie riesige Tiefkühltruhen, in denen immense Mengen an Resten von Pflanzen und Tieren liegen. Bei steigenden Temperaturen werden sie von Mikroben zersetzt, wobei Methan entweichen kann.
Ein Team um den Bonner Wissenschaftler Nikolaus Froitzheim hat nun zudem herausgefunden, dass im Hitzesommer 2020 im Norden Sibiriens in zwei Gebieten mit Kalkstein viel Methan freigesetzt worden ist. Die Experten befürchten, dass die bisher mit Eis und Gashydrat gefüllten Kluft- und Höhlensysteme im Kalkstein durch die Erwärmung durchlässig geworden sind und das schädliche Gas in die Atmosphäre gelangt ist. Die Untersuchung ist in dem Fachblatt «Proceedings of the National Academy of Sciences» (PNAS) veröffentlicht worden.
«Der Ausstoss von grossen Methanmengen in Permafrostgebieten würde die Klimakrise bedeutend verschlimmern», sagte Hinrich Schaefer vom Nationalen Institut für Wasser- und Atmosphärenforschung (Niwa) in Neuseeland. (SDA)