Wie die türkische Präsidentschaft am Montagabend mitteilte, forderte Erdogan eine «gerechte Aufteilung der Last und der Verantwortung gegenüber Migranten» zwischen der EU und der Türkei.
Erdogan hatte am Samstag angekündigt, Flüchtlinge mit dem Ziel EU die türkischen Grenzen passieren zu lassen. Er begründete sein Vorgehen damit, dass die EU sich nicht an den im März 2016 geschlossenen Flüchtlingspakt halte.
Griechenland will Flüchtlinge nicht
Seither versuchten tausende Flüchtlinge, über die türkisch-griechische Grenze in die EU zu gelangen. Griechische Grenzschützer hielten am Wochenende etwa 10'000 Menschen vom Grenzübertritt ab.
Die Sicherheitskräfte setzten mehrfach Blendgranaten und Tränengas ein, um Menschen zurückzudrängen. Erdogan warf griechischen Sicherheitskräften vor, zwei Migranten getötet und einen verletzt zu haben.
EU-Deal mit der Türkei auf der Kippe
Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Am Montag drohte Erdogan, die Grenzen blieben weiter offen. Es sei nun an der EU, ihren «Teil der Last» in der Flüchtlingskrise zu tragen.
In der Vereinbarung mit der EU hatte die Türkei eigentlich zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Ankara erhält zudem finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge im Land.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem bulgarischen Ministerpräsidenten Boiko Borissow sagte Erdogan, die Türkei habe ein Angebot der EU über Finanzhilfen über eine Milliarde Euro zum Stemmen der Flüchtlingskrise in dem Land abgelehnt.
Merkel hatte die türkische Grenzöffnung am Montag in Berlin «inakzeptabel» genannt. Es sei zwar verständlich, dass die Regierung in Ankara mehr Unterstützung von der EU erwarte, sagte die Kanzlerin. Es sei aber «völlig inakzeptabel», dass dies «auf dem Rücken der Flüchtlinge» ausgetragen werde.
Syrien-Krieg verschlimmert Flüchtlingskrise
Erdogan war wegen seiner Syrien-Politik zuletzt deutlich unter Druck geraten. In der letzten grossen Rebellenhochburg Idlib des Landes ist die syrische Regierung mit russischer Unterstützung auf dem Vormarsch - ungeachtet eines türkischen Militäreinsatzes auf syrischem Gebiet.
Gleichzeitig verschlimmerte sich die humanitäre Lage in Nordsyrien. 950'000 der 3 Millionen Einwohner der Region sind nach Uno-Angaben auf der Flucht.
Von der Leyen macht sich vor Ort ein Bild
Als Zeichen der Solidarität mit Griechenland reist EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag an die griechische Landgrenze zur Türkei. Im Nordosten Griechenlands will sie sich am Grenzposten Orestiada (14.00 Uhr) zusammen mit EU-Ratschef Charles Michel und dem Präsidenten des Europaparlaments, David Sassoli, ein Bild von der Situation machen.
Die Spitzen der EU-Institutionen treffen bei ihrem Griechenland- Besuch auch Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. «Wir wollen Griechenland besuchen, weil es ein Land ist, das derzeit unter enormem Druck steht», sagte Sassoli vor der Reise. Es sei wichtig, sich vor Ort ein Bild zu machen, und Griechenland Hilfe zuzusichern. Weil das Land an der EU-Aussengrenze liege, betreffe das jeden. Auch von der Leyen hatte am Montag von einer «europäischen Herausforderung» gesprochen. Priorität sei, Griechenland jede nötige Unterstützung zu geben. (SDA)