Zuspitzung der Flüchtlingskrise in den kommenden Tagen
EU erwartet Massenimmigration nach Griechenland

Die Türkei hat die Grenze nach Europa für Migranten und Flüchtlinge geöffnet. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex erwartet in den kommenden Tagen eine weitere Zuspitzung der Krise und warnt vor «Massenmigrationsströmen nach Griechenland».
Publiziert: 02.03.2020 um 02:19 Uhr
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Aktualisiert: 04.03.2021 um 17:16 Uhr
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Dramatische Zuspitzung der Lage an der griechisch-türkischen Grenze.
Foto: Getty Images

Dies schreibt die EU-Grenzbehörde (Frontex Situation Centre) am Wochenende in einem internen und vertraulichen «Situationsbericht zur griechisch-türkischen Grenze», der der Zeitung «Die Welt» vorliegt.

In dem Bericht für die politischen Entscheidungsträger in der EU heisst es weiter: «Es wird schwierig sein, den massiven Strom von Menschen, die sich auf die Reise gemacht haben, zu stoppen. Darum ist kurzfristig in den kommenden Tagen noch ein Anstieg des Drucks zu erwarten – auch sogar in dem Fall, dass die türkischen Behörden handeln sollten, um Grenzübertritte zu verhindern.»

«Massenbewegung von der Türkei zu EU-Grenzen»

Der Grund für die Entwicklung liege laut Frontex auch an den sozialen Medien: Die dort verbreiteten «Nachrichten erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Massenbewegung von der Türkei aus hin zu den EU-Grenzen». Die EU-Aussenminister wollen in dieser Woche über die Lage an der griechisch-türkischen Grenze beraten.

Griechenland setzte unterdessen die Schutzvorkehrungen an seinen Grenzen auf die höchste Stufe, wie Regierungschef Kyriakos Mitsotakis (51) am Sonntagabend nach einer Krisensitzung des nationalen Sicherheitsrats mitteilte.

So sollen die Patrouillen an Land und zu Wasser im Nordosten des Landes verstärkt werden, nachdem die Türkei am Wochenende ihre Grenzen zur EU für Flüchtlinge geöffnet hatte.

Griechenland wirft Türkei «Schlepper»-Taktik vor

Wie der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas ergänzte, will sein Land zudem einen Monat lang keine neuen Asylanträge mehr annehmen. Er sprach von einer «asymmetrischen Bedrohung der Sicherheit unseres Landes».

Petsas kritisierte zudem die Türkei, die mit der Öffnung ihrer Grenzen diplomatischen Druck ausüben wolle. Athen wirft der Türkei vor, Migranten mit falschen Informationen dazu zu bewegen, nach Griechenland und damit in die EU zu kommen. Ankara sei damit «selbst zum Schlepper» geworden. Die Türkei wirft der EU vor, sich nicht an den 2016 geschlossenen Flüchtlingspakt zu halten.

Aus der griechischen Regierung hiess es am Wochenende, binnen 24 Stunden seien fast 10'000 Migranten an einem «illegalen» Grenzübertritt gehindert worden. Zudem wurden rund 140 Flüchtlinge festgenommen. Griechenland wird einen Monat lang keine neuen Asylanträge annehmen. Das teilte Regierungschef Kyriakos Mitsotakis am Sonntag auf Twitter mit.

Explosive Lage

Die Stimmung auf den griechischen Inseln ist explosiv – seit Jahren gibt es dort überfüllte Migrantenlager. Allein am Sonntag setzten mehr als 500 Migranten aus der Türkei zu den Inseln Lesbos, Chios und Samos über. Am Sonntag haben aufgebrachte Einwohner der Insel Lesbos rund 25 Migranten oder Flüchtlinge vorübergehend daran gehindert, aus einem Schlauchboot im kleinen Hafen von Thermi an Land zu gehen. «Go back to Turkey» («Geht zurück in die Türkei»), riefen sie.

Einige Einwohner hätten Journalisten und Mitarbeiter humanitärer Organisationen attackiert, berichteten griechische Medien. Schliesslich seien die Angekommenen in einer Halle des Hafens der Inselhauptstadt Mytilini untergebracht worden.

Doch die Stimmung auf Lesbos kippte weiter. An einem Strand setzten Einwohner am Sonntag ein nicht mehr genutztes UN-Begrüssungszentrum für Flüchtlinge in Brand. Die lokale Polizei war überfordert und musste sowohl Flüchtlinge als auch Journalisten vor den wütenden Anwohnern beschützen.

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Am Samstag hat die griechische Polizei Flüchtlinge am Grenzübergang Pazarkule mit Tränengas zurückgedrängt, daraufhin warfen einige der Migranten mit Steinen.

Türkei hat Grenzen für Migranten geöffnet

EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas (57) wird nach eigenen Worten an diesem Montag in Berlin sein. Er hatte am Wochenende eine baldige Sondersitzung der EU-Innenminister gefordert. Eine EU-Sprecherin erklärte am Sonntag, die Europäische Union sei in konstantem Kontakt mit den türkischen Autoritäten. «Das unerträgliche humanitäre Desaster in und um Idlib verlangt dringend, dass wir handeln.»


Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow (60) reist an diesem Montag nach Ankara, um mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (66) über die Lage in Syrien und Flüchtlingsbewegungen zu sprechen. Wie die bulgarische Regierung am Sonntag mitteilte, werden die beiden bei einem Abendessen «Handlungen erörtern, die zur Bewältigung der Krise in Syrien und zum Stopp des Migrationsdrucks beitragen werden».

Die türkische Regierung hatte tags zuvor angekündigt, dass sie Migranten auf ihrem Weg nach Europa nicht mehr aufhalten werde. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise waren 2015 fast eine Million Flüchtlinge und Migranten von der Türkei aus auf griechische Inseln gelangt.

Damals schloss die EU mit der Türkei ein Abkommen, um den Zustrom einzudämmen. In den vergangenen Jahren nahm die Türkei 3,7 Millionen Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg auf und hinderte sie an der Weiterreise. (kes/SDA)

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