Dem deutschen Arzt und Unternehmer Thomas Haehner (49) gehören 18 Schweizer Hausarztpraxen. Doch viele der dort registrierten Patientinnen und Patienten sind unzufrieden. So auch in der Praxis Drei Birken in Freidorf TG, wie Blick vergangene Woche berichtet.
Seit die Praxis an Haehner verkauft wurde, herrscht Chaos. Rentner Peter Hürlimann (65) erzählt Blick: «Alles hat mit der Pension von unserem Hausarzt Bernhard Wälti vor über zwei Jahren begonnen. Seither gehts drunter und drüber. Die Ärzte waren so gut wie nie da.»
Nun will er wechseln. Doch dafür braucht er seine Patientenakten. An diese zu kommen, gestaltet sich schwierig. Seit Monaten sind Patientinnen und Patienten ihren Unterlagen hinterher. Manche bekamen unvollständige Akten, andere warten noch immer. Letztendlich transportierte das Gesundheitsamt die Dokumente letzte Woche ab.
Mitarbeiter streiken
Am Mittwoch berichtet Blick erneut über eine Hausarztpraxis von Haehner. Das Team vom Ärztezentrum in Felben-Wellhausen TG streikt. Der Grund: Haehner zahlte den letzten Monatslohn nicht aus.
SRF sprach nun mit ehemaligen Angestellten. Sie berichten von miserablen Arbeitsbedingungen, hätten teils 18 bis 20 Stunden am Tag gearbeitet. Einige bekamen davon ein Burn-out – mit verheerenden Folgen, wie eine Person erzählt: «Wenn Leute krank werden, macht er Druck, dass sie zur Arbeit kommen.» Eine andere Person sagt: «Wenn du krank wirst, kriegst du keinen Lohn mehr.» Als wäre das nicht genug, sei auch das Personal fraglich gewesen: «Er hat unqualifiziertes Personal eingestellt. Beispielsweise alte, zittrige Ärzte.»
Aus einem zwölfseitigen Betreibungsregister geht heraus, dass Haehner unzähligen Personen und Behörden Geld schuldet. Es geht um Lohn, Steuern, AHV-Beiträge, Sozialversicherungen und Mieten.
Abzockmasche mit Vitaminpräparaten
Laut SRF betreibt Haehner eine Abzockmasche. Sowohl Dokumente als auch ehemalige Mitarbeitende bestätigen dies. Einer erzählt dem Sender: «Er coacht seine Mitarbeiter, jeden Rappen aus den Patienten herauszuholen.» Dazu sollten insbesondere während der Corona-Pandemie Unmengen von Vitaminpräparaten verkauft werden.
Auch zu Wort kam Ivan Tomka, Leiter der Datenforensik bei Helsana. Aus ihm vorliegenden Unterlagen zieht er den Schluss: «Man hat etwa 60 bis 70 Prozent Medikamente und Laborleistungen und nur 30 bis 40 Prozent ärztliche Leistungen. Bei anderen Praxen ist es umgekehrt. Es ist offensichtlich, dass er sein Geschäft vor allem mit Medikamenten und Laborleistungen macht.» Das könnte womöglich illegal sein. Denn Ärzte müssen in erster Linie im Interesse der Patientinnen und Patienten handeln, nicht im Profit-Interesse.
Dubiose Deals
Die Geschäfte des deutschen Unternehmers sind auch ausserhalb der Sprechstunden fraglich. SRF fand heraus, dass Haehner 67’000 Franken vom Pharmaunternehmen Novartis erhielt – um in den Praxen Werbemittel für die Generikamedikamente aufzuhängen.
Doch Tomka erklärt: «Ein Arzt muss, wenn möglich, sowieso das Generikum dem Originalpräparat vorziehen. Somit ist die Entschädigung für die Abgabe von Generika unzulässig. Unzulässige finanzielle Vorteile anzubieten und anzunehmen, ist nicht gestattet. Das Pharma-Unternehmen scheint eine andere Ansicht zu haben.»
Haehner redet sich raus
In einer Mitteilung an SRF schiebt Haehner die Verantwortung ab. Ein ehemaliges Mitglied der Geschäftsleitung sei schuld und hätte Straftaten gegen das Unternehmen verübt. Haehner schreibt: «Der hohe Organisationsgrad und die systematische Planung deuten auf eine hohe kriminelle Energie und Motivlage hin. Der finanzielle Schaden beträgt mehrere Millionen Franken.»
Das Amt für Gesundheit führt derzeit Kontrollen durch. Auch die Luzerner Gesundheitsbehörde ist an dem Fall dran. Die Concordia-Versicherung hat zudem einen Zahlungsstopp verfügt. Heisst: Patientinnen und Patienten bekommen ihre Rechnungen erstattet, den Praxen zahlt der Versicherer jedoch nichts. Eine Mediensprecherin erzählt SRF: «Uns fehlen von den Praxen Dokumente, um die Abrechnungen kontrollieren zu können».