In St. Moritz GR schmilzt die Hoffnung auf einen Wandel dahin wie der Morteratschgletscher in der Höhensonne. Vorletzte Woche scheiterte eine Truppe um den ehemaligen Novartis-Manager Felix Ehrat (63) und den Breitling-CEO Georges Kern (55) mit dem Versuch, die lokale Tourismusorganisation personell und strategisch anders auszurichten.
Die Zukunft der Destination hätte ökologischer, jünger und digitaler werden sollen – schliesslich dämmert es auch dem letzten Steppjackenträger in seinem schwarz lackierten Land Rover, dass die Opulenz der Pferderennen und Pelzmäntel eines Tages nicht mehr reicht. «Der Luxusbegriff wird sich ändern», ist ein Beteiligter überzeugt.
Doch der Aufbruch ist vorerst gescheitert. Bei der Engadin St. Moritz Tourismus AG (ESTM), welche die Region und deren zwölf Gemeinden international vermarktet, setzten sich die lokalen Wirtschafts- und Interessenverbände durch. Das politische Gleichgewicht ist wichtiger als der visionäre Firlefanz von Zugezogenen. Zum Präsidenten ernannt wurde Kurt Bobst (54), ein Manager aus der Bündner Strombranche.
«Qualität der Leistung bleibt auf der Strecke»
Es bleibt ein Graben, tiefer als die gewohnten Animositäten gegenüber dem Platzhirsch St. Moritz. Wie weit dieser Graben mittlerweile klafft, zeigt ein Brief, der am vergangenen Freitag an die zwölf Gemeindepräsidenten des Oberengadins ging.
Verfasser ist der freisinnige Immobilienunternehmer Leandro A. Testa aus St. Moritz. Wie Gemeindepräsident Christian Jott Jenny (41) zählt er in St. Moritz zu den «Progressiven».
«Wir haben heute eine ESTM AG, die überschuldet ist und saniert werden muss, und ein nicht endendes, unwürdiges Gezanke um Macht, Einfluss und Egos», klagt Testa in dem E-Mail, das SonntagsBlick vorliegt. «Dabei bleibt die Qualität der Leistung auf der Strecke.»
Offensichtlicher Zielkonflikt
Dem Trio, das am 16. Mai die Wahl in den VR verweigerte, spendet Testa Beifall: «Den gewählten Verwaltungsräten Felix Ehrat, Marcel Bührer und Richard Leuenberger, die das Mandat letztendlich abgelehnt haben, gratuliere ich. Das war die einzige richtige und konsequente Handlungsoption. Damit haben alle drei bewiesen, dass sie über die notwendige Fachkompetenz und Unabhängigkeit verfügen. Das verdient Respekt.»
Testas vernichtendes Résumé: «Die bisherigen Strategien und Taktiken in Bezug auf die Gestaltung der ESTM AG sind gescheitert.» Er plädiert dafür, den Betrieb in eine Organisation für St. Moritz und eine für den Rest des Tals aufzuteilen, um den «offensichtlichen Zielkonflikt» zu lösen.
Endgültig genug hat der Präsident von Samedan: Jon Fadri Huder (53), ein Ur-Engadiner, bewirbt sich als Gemeindepräsident von Ebnat-Kappel SG im Toggenburg.
Auftritt Vera Dillier
Als ob die Operette nicht schon unterhaltend genug wäre, betritt nun eine weitere Figur die Bühne: Jetsetterin Vera Dillier gab diese Woche ihre Kandidatur für den St. Moritzer Gemeinderat bekannt. Gemäss BLICK sei ihr Entscheid unabhängig von den Vorgängen bei der ESTM gefallen.
Einzig Gemeindepräsident Jenny – der mit Dillier nicht bekannt ist – sorgt für etwas Courant normal. Ob Machtkampf oder Corona: Sein Festival da Jazz findet diesen Sommer statt.