Man kann über die Querelen in St. Moritz spotten, sie als Posse eines alpinen Reichenkaffs abtun. Doch war der Kurort immer auch ein Brennglas, durch das gesellschaftliche Verwerfungen erkennbar werden.
Hier hatte Johannes Badrutt nicht nur den Wintertourismus erfunden – der Hotelpionier liess 1879 in seinem Gasthaus, dem Geschnöde mancher Dorfbewohner zum Trotz, das erste elektrische Licht der Schweiz erleuchten.
Im Aufschwung der Nachkriegszeit versammelte sich im Oberengadin die kapitalistische Elite und unterhielt mit ihrem Protz und Prunk eine immer globalere Öffentlichkeit. Die Massenmedien des Westens feierten den ungezügelten Konsum; St. Moritz bot dafür die Bühne.
Die Zeiten haben sich geändert. Die Stars von heute inszenieren sich lieber in Yoga-Posen oder mit veganen Menüs auf Instagram. Der oberflächliche Luxus ist für eine breite Mittelschicht zugänglich. Die Warteschlangen vor den wiedereröffneten Haute-Couture-Läden in Zürich illustrieren das bestens.
Die in den Zeiten von Farah Diba, Gianni Agnelli und Brigitte Bardot zur Schau gestellten Insignien des Wohlstands – teure «Schlitten», Goldschmuck, exquisite Genussmittel – zieren heute die Musikclips des Hip-Hop-Genres.
Das St. Moritz des letzten Jahrhunderts hält sich nur noch, weil viele Einheimische damit gutes Geld verdienen – auch wenn die Anzahl Logiernächte zurückgeht.
Vielleicht macht die Kollision mit der Zukunft den Blick frei auf den wahren Luxus der Gegend: die atemberaubende Schönheit der Natur.