Der jugendliche Täter agierte sehr zielgerichtet, es schien, als ob er keine Konsequenzen fürchtet. Wie das Video einer Blickleserin zeigt, marschiert der vorläufig aufgenommene Afghane (16) in der Migrosfiliale von Kollbrunn ZH zur Kasse und schubste die Verkäuferin weg. Dann kickte er den Deckel der Kasse auf und schnappte sich ein paar Noten.
Die hochschwangere Mayrenis Morillo (31) konnte den Schreck-Moment filmen. Für die Polizei und die Jugendanwaltschaft sind die Videoaufnahmen ein Glücksfall, sagt Patrik Killer, der leitende Jugendanwalt des Kantons Zürich. «So können wir die Straftat viel effizienter aufklären», sagt er.
48 Stunden Zeit bis zur Haft-Entscheidung
Wie die Staatsanwaltschaft bei den Erwachsenen haben im Fall eines minderjährigen Täters die Polizei und die Jugendanwaltschaft nach der Festnahme insgesamt 48 Stunden Zeit, um über eine Untersuchungshaft zu entscheiden. Bis dahin bleibt der Täter in Haft.
«Anders als die Staatsanwaltschaft kann die Jugendanwaltschaft selber entscheiden, ob der Jugendliche über die 48 Stunden hinaus in Haft bleiben muss», sagt Patrik Killer. Konkret: «Wir können bis sieben Tage Untersuchungshaft selber anordnen, für mehr ist dann auch ein Gesuch beim Zwangsmassnahmengericht notwendig.»
Status ist nicht entscheidend
Aus Sicht der Jugendanwaltschaft ist es nicht entscheidend, ob der Täter ein Schweizer ist oder ein vorläufig aufgenommener Flüchtling wie im Fall von Kollbrunn. «Wir prüfen die Haftgründe. Gibt es Fluchtgefahr, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr?», sagt Killer. Falls keine Haftgründe vorliegen, werde geprüft, ob der Jugendliche einer Schutzmassnahme bedarf.
Breite Palette an Massnahmen
Die Jugendanwaltschaft hat hierfür eine sehr breite Palette an Massnahmen zur Verfügung. «Wir prüfen auch eine vorsorgliche Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung – das ist nur eine von vielen Möglichkeiten», so Killer. Ziel sei es, dass ein Beschuldigter niemanden gefährde und auch keine weiteren Straftaten verübe. «Wir eruieren, was der Jugendliche braucht, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten.»
Neben den Massnahmen der Jugendanwaltschaft prüft jetzt auch das Migrationsamt, wie der Aufenthaltsstatus des unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbers in Zukunft auszusehen hat. Bei den migrationsrechtlichen Überlegungen hat die Jugendanwaltschaft keine Entscheidungsmacht.