Skrupellos hat ein 16-jähriger Afghane am Donnerstagabend die Migros-Filiale in Kollbrunn ZH überfallen. Der Asylbewerber konnte mit mehreren Hundert Franken fliehen. Zwar versuchte die Kassiererin, den Teenager aufzuhalten – doch vergebens. Auch umstehende Kunden konnten nicht eingreifen – etwa die hochschwangere Mayrenis Morillo (31).
Doch wie sollten sich Personal und Kunden bei einem Überfall idealerweise verhalten? Blick hat bei Marco Kern (47) nachgefragt, der seine gesamte Laufbahn in unterschiedlichen Positionen im Detailhandel arbeitete. Seit 2018 ist er an der Fachschule für Detailhandel in Zürich tätig. Dort ist er Kursleiter, Dozent und Schulleiter. In seinem Kassenkurs geht es auch um das Thema «Verhalten bei einem Überfall».
Blick: Marco Kern, was fällt Ihnen in diesem Video auf?
Marco Kern: Es fällt auf, mit wie viel Gewalt der Täter vorgeht. Zum Glück nicht allzu grob gegen die Verkaufsmitarbeiterin. Und: Er hatte es «nur» auf das Geld abgesehen.
Wie sollte sich das Verkaufspersonal (an der Kasse) bei einem Raubüberfall verhalten?
Grundsätzlich heisst es: Ruhe bewahren! Geld ist ersetzbar, Menschenleben sind es nicht. Es ist wichtiger, zu beobachten, sich Tätermerkmale einzuprägen und umgehend die Polizei verständigen. Von Vorteil ist, wenn nur das benötigte Geld in den Kassen vorhanden ist. Ist kein Geld da, kann es je nach Charakter des Täters zu schwerwiegenden Folgen kommen. Er könnte Mitmenschen angreifen oder die Verkaufsräume verwüsten.
Die Kassiererin leistet zuerst noch Widerstand. Dann überlässt sie die Kasse dem Jugendlichen. Ihre Einschätzung?
Es ist immer die Frage, was es bringt, wenn Kassen- oder Verkaufsmitarbeitende eingreifen. Es hätte sein können, dass der Täter doch noch gewalttätig gegenüber der Verkaufsmitarbeiterin geworden wäre. Daher war es aus meiner Sicht vernünftiger, den Widerstand aufzugeben. Sowieso: Auf den Verkaufsflächen sind immer weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anwesend. Das erschwert die Situation zusätzlich. Wenn immer möglich, sollten umgehend Arbeitskollegen oder Vorgesetzte beigezogen werden.
Wie schätzen Sie das Verhalten der umstehenden Kundinnen und Kunden ein, die nicht eingreifen?
Ein Eingreifen hätte diesen Täter nicht davon abgehalten. Mein Tipp: Kundinnen und Kunden sollten sich so rasch wie möglich von der Situation wegbewegen.
Was wäre ein No-Go der Kassiererin oder der Kunden gewesen?
Auf den Täter einprügeln, um ihn von der Tat abzuhalten. Man weiss nicht, aus welchen Gründen diese Menschen einen Überfall ausüben. Und wozu der Täter sonst noch fähig ist oder womit er bewaffnet ist.
Auf Social Media, wo das Video inzwischen auch viral geht, heisst es, das Geld sei eh versichert. Trifft das zu?
Grundsätzlich ja. Jedoch ist das bei jedem Unternehmen anders geregelt.