Es war sein Herzenswunsch. Adoptivkind Markus Stadelmann (52) wollte seine leibliche Mutter kennenlernen, startete dafür im BLICK einen Aufruf. Der Entlebucher aus Hasle LU bat aufmerksame Leser um Hilfe. Voller Hoffnung. Er wollte jedem noch so kleinen Hinweis zum Verbleib seiner Mama nachgehen. Doch sein Traum platzte. Unvermittelt und unfassbar tragisch.
Denn: Seine Mutter Erika Zahler-Häberli (†45) ist schon lange tot – starb vor 32 Jahren. Sie hatte ein schwieriges Leben, wurde wegen schwerer Gewaltverbrechen verurteilt, galt als «gemeingefährlich» und verbrachte ihre letzten Tage in der Psychiatrie. Als BLICK ihren Sohn Markus mit der Recherche konfrontiert, wird er nachdenklich. Er wusste von alldem nichts. Betroffen, aber gefasst sagt er: «Ich musste damit rechnen, dass sie nicht mehr unter uns weilt.»
Der Sohn wusste nichts von den Vergehen der Mutter
Stadelmann schluckt leer und erklärt dann: «Für mich ist diese schlimme Nachricht dennoch wichtig. Jetzt weiss ich wenigstens, dass sie nicht irgendwo leidet.» Denn oft plagten ihn Sorgen. «Ich dachte, vielleicht ist sie ja allein und macht sich Vorwürfe, weil sie mich einst weggegeben hat.» Für ihn steht fest: «Trotz allem fällt mir ein Stein vom Herzen.» Dass die Suche schlimme Dinge zutage brachte, ändert für ihn nichts daran.
Adoptivkind Stadelmann war einzig der ehemalige Wohnort seiner leiblichen Mutter bekannt. Erika Zahler-Häberli war 1974 in Grenchen SO angemeldet. Als BLICK dort nachfragt, nimmt sich der Stadtpräsident persönlich der Sache an. Noch voller Hoffnung, dass die Mutter gefunden wird. Doch François Scheidegger (58, FDP) hat keine guten Nachrichten: «Leider verstarb die Mutter von Herrn Stadelmann am 11. Juni 1987.» Weitere Auskünfte darf er aus Datenschutzgründen nicht geben: «Es tut mir für den Sohn und die Angehörigen natürlich leid, dass diese Geschichte kein positives Ende hat. Ich wünsche ihnen ganz viel Kraft.»
Schwere Probleme – Tod in der Psychiatrie
BLICK-Recherchen bringen weitere Eckdaten zum Vorschein: Erika Zahler-Häberli kam demnach am 31. Mai 1942 zur Welt. Später lebte sie mit ihrem Ehemann in Grenchen SO. Doch die beiden liessen sich 1984 scheiden, und sie nahm wieder ihren Mädchennamen Häberli an. Sie war weiter in Grenchen angemeldet, lebte aber bis zu ihrem Tod in der psychiatrischen Klinik St. Urban LU – die Abdankung fand am 17. Juni 1987 statt.
Offenbar litt die Frau schon in jungen Jahren an psychischen Problemen. Laut «NZZ» vom 2. Oktober 1963 wurde sie wegen vollendetem Mordversuch zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt. Anstelle des Vollzugs kam es aber zur Verwahrung in einer «nicht ärztlich geleiteten Heilanstalt». Die ihr vorgeworfene Tat wog schwer: Sie versuchte ein sechsjähriges Kind zu töten. Damals arbeitete sie als Dienstmagd. Nach der Lektüre eines Kriminalromans wollte sie bei ihrem Arbeitgeber nachts ein schlafendes Ferienkind erdrosseln. Als sich dieses wehrt und schreit, ergreift Zahler-Häberli die Flucht, stellt sich einen Tag später der Polizei und ist geständig. Ein Psychiater bezeichnete sie als «gemeingefährlich.» Auch in Haft war sie renitent. Sie schlug einer Mitgefangenen mit einem Stein von hinten zwei Mal auf den Kopf.
Messerattacke auf Taxifahrer in Luzern
Ihren Sohn treffen diese neuen Informationen heftig: «Das sind schlimme Verbrechen. Ich bin meiner Mutter aber nicht böse.» In schwierigen Situationen verlasse er sich auf die «Kraft von positiven Gedanken».
Am 27. April 1976 kommt Erika Zahler-Häberli erneut in die Schlagzeilen. Sie schaffte es gar auf die BLICK-Titelseite, weil sie dem Luzerner Taxifahrer Walter Hug (damals 25) ein Messer in den Rücken rammte. Der Mann überlebte die Attacke. Zum Zeitpunkt des Verbrechens war Zahler-Häberli zur Fahndung ausgeschrieben. Weshalb sie den Taxifahrer angriff, blieb unklar. Man vermutete jedoch, dass sie den ehemaligen Staatsanwalt Josef Karmann (damals 71) töten wollte. Er war 13 Jahre zuvor der Ankläger wegen des Mordversuchs am sechsjährigen Kind – und Karmann wohnte unweit vom Tatort und wurde damals von ihr bedroht.
Ein letzter Gruss an die tote Mutter
Nach der Messerattacke verliert sich ihre Spur – bis zum Tod in der psychiatrischen Klinik St. Urban. Als Sohn hätte Stadelmann wohl die Möglichkeit, dort mehr über sie zu erfahren. Doch er sagt: «Momentan möchte ich das nicht.» Vorerst ist das Thema für ihn abgeschlossen. Stadelmann sagt leise: «Für mich stimmt das so. Ich möchte sie in Ruhe lassen.»
Ein Happy End gibt es für Stadelmann also nicht. Alle Hoffnungen sind vergebens. Zum Gedenken und als Zeichen des Respekts zünden seine Frau Sonja (52) und er eine Totenkerze an und stellen sie in der Stube auf. Bald möchten sie auch eine Kerze am Wallfahrtsort Heiligkreuz im Entlebuch anzünden – als letzten Gruss an die tote Mutter.
Adoptionen sind in der Schweiz stark rückläufig. Binnen der letzten zwei Jahrzehnte hat sich die Zahl mehr als halbiert. Wurden 1998 noch 1039 Kinder adoptiert, gab es im vergangenen Jahr nur noch 429 Adoptionen. Sobald das Kind volljährig ist, hat es gemäss Schweizer Gesetz Anspruch darauf, Auskunft über die Identität seiner leiblichen Eltern zu bekommen. Der Weg dahin ist allerdings aufwendig.
Das Auskunftsrecht steht auch Minderjährigen zu, wenn sie ihr schutzwürdiges Interesse begründen können. Zudem können volljährige Adoptivkinder auch Informationen zu direkten Nachkommen der leiblichen Eltern erfragen. Das jedoch nur, wenn eben diese Nachkommen selbst volljährig sind und der Bekanntgabe der Informationen zur eigenen Person zugestimmt haben.
Adoptivkinder können die Identität ihrer leiblichen Eltern jeweils über die kantonal dafür zuständigen Auskunftsstellen beantragen. In Bern etwa ist das Kantonale Jugendamt auskunftsberechtigt. Im Kanton Aargau und Glarus laufen entsprechende Auskünfte über das Departement Volkswirtschaft und Inneres. In den Kantonen Appenzell-Ausserrhoden, Graubünden und Obwalden ist wiederum die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde zuständig, während in Zürich die Zentralbehörde Adoption des Amts für Jugend und Berufsberatung Adoptivkindern auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern weiterhilft. Eine Auflistung aller kantonaler Auskunfts- und Beratungsstellen gibt es auf der Internetseite des Bundesamts für Justiz. Dominique Rais
Adoptionen sind in der Schweiz stark rückläufig. Binnen der letzten zwei Jahrzehnte hat sich die Zahl mehr als halbiert. Wurden 1998 noch 1039 Kinder adoptiert, gab es im vergangenen Jahr nur noch 429 Adoptionen. Sobald das Kind volljährig ist, hat es gemäss Schweizer Gesetz Anspruch darauf, Auskunft über die Identität seiner leiblichen Eltern zu bekommen. Der Weg dahin ist allerdings aufwendig.
Das Auskunftsrecht steht auch Minderjährigen zu, wenn sie ihr schutzwürdiges Interesse begründen können. Zudem können volljährige Adoptivkinder auch Informationen zu direkten Nachkommen der leiblichen Eltern erfragen. Das jedoch nur, wenn eben diese Nachkommen selbst volljährig sind und der Bekanntgabe der Informationen zur eigenen Person zugestimmt haben.
Adoptivkinder können die Identität ihrer leiblichen Eltern jeweils über die kantonal dafür zuständigen Auskunftsstellen beantragen. In Bern etwa ist das Kantonale Jugendamt auskunftsberechtigt. Im Kanton Aargau und Glarus laufen entsprechende Auskünfte über das Departement Volkswirtschaft und Inneres. In den Kantonen Appenzell-Ausserrhoden, Graubünden und Obwalden ist wiederum die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde zuständig, während in Zürich die Zentralbehörde Adoption des Amts für Jugend und Berufsberatung Adoptivkindern auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern weiterhilft. Eine Auflistung aller kantonaler Auskunfts- und Beratungsstellen gibt es auf der Internetseite des Bundesamts für Justiz. Dominique Rais