Macrons Reaktion auf die Proteste der Gelbwesten kommen Frankreich teuer zu stehen. Nach den erneuten Ausschreitungen am Wochenende ist der französische Präsident eingeknickt: Unter anderem sollen ab dem kommenden Jahr Rentner entlastet und Überstunden nicht mehr besteuert werden. Die symbolträchtigste Massnahme: Der monatliche Mindestlohn soll um 100 Euro steigen – ohne dass die Arbeitgeber in die Bresche springen müssen.
Acht bis zehn Milliarden könnten die Geschenke an die Bevölkerung laut Regierungsangaben kosten. Das belastet den Staatshaushalt empfindlich. Mit einer geplanten Neuverschuldung von 2,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) kratzte das Land schon vorher an den Richtlinien der Europäischen Union. Drei Prozent Neuverschuldung erlaubt der Maastricht-Vertrag maximal. «Ohne Gegenmassnahmen würde die EU-Grenze durch die Zugeständnisse nun wieder gerissen», sagt Ricardo Garcia, Eurozone-Chefökonom von UBS CIO, zu BLICK.
Wird Frankreich zum neuen Italien?
Eine Pleite kann sich der glühende Europa-Verteidiger Emmanuel Macron nicht leisten. Vor allem nicht, während es im Haushaltsstreit der EU mit Italien zum Showdown kommt. Heute wollen sich der italienische Regierungschef Giuseppe Conte und EU-Kommissionspräsident Jean Claude-Juncker treffen. Italien droht ein Strafverfahren, weil die Haushaltspläne für 2019 gegen die europäischen Stabilitätsregeln verstossen.
Italiens starker Mann, Innenminister Matteo Salvini, ätzt zeitgleich gegen die EU und Macron. Europa sei «schlecht regiert» und dringend erneuerungsbedürftig, wie auch der jüngste Protest der Gelbwesten bezeuge. Italien sei bemüht, Europa vom Inneren zu ändern. Doch die EU schiebt der Neuverschuldung einen Riegel vor. Die Drei-Prozent-Grenze kann kein Politiker ignorieren. Die französische Regierung sucht darum verzweifelt nach den Milliarden. «Vermutlich spart Macron an weniger umstrittenen Punkten im Haushaltsplan etwas ein. Aber selbst dann ist es rasiermesserscharf», sagt EU-Experte Garcia.
Die EU beobachtet Frankreich schon
2017 lag Frankreich das erste Mal seit einem Jahrzehnt unter der Schwelle. Eigentlich hatten die Franzosen Europa versprochen, die Staatsfinanzen zu sanieren und die EU-Grenze für Neuverschuldungen dauerhaft einzuhalten. Die Staatengemeinschaft hat darum ein besonderes Auge auf die Auswirkungen der Gelbwesten-Zugeständnisse auf das französische Staatsdefizit. «Wir stehen in ständigem Kontakt mit den französischen Behörden», sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici gestern.
Der Druck auf Frankreich steigt. Auf der einen Seite hatte Emmanuel Macron keine Wahl – auf der anderen droht ihm nun das gleiche Schicksal wie Italien.