Über 100'000 Menschen demonstrierten am Wochenende in Frankreich. 1700 wurden verhaftet, über 250 verletzt.
Gestern Abend folgte die Antwort von Präsident Emmanuel Macron (40): Das Staatsoberhaupt richtete sich in einer Fernsehansprache an seine Landsleute.
Die grosse Frage vor dem Auftritt des Präsidenten war: Kann Macron seine knapp 70 Millionen Landsleute beruhigen, gar wiedergewinnen? Oder wird der Graben zwischen den Bewohnern der Grande Nation und dem Staatschef noch tiefer?
Um 20 Uhr ertönt die «Marseillaise», die französische Nationalhymne. Schaltung in den Elysée-Palast in Paris, Macrons Amtssitz. Der Präsident sitzt konzentriert am Pult. Und spricht die Bewohner des Landes persönlich an. Er kritisiert die Krawall-Demonstranten scharf.
Angestellte sollen Jahresend-Bonus kriegen
Macron parliert sentimental. Doch dann wird er konkret in seinen Ausführungen. Und kündigt Massnahmen an: Der monatliche Mindestlohn von 1498 Euro wird ab 2019 um 100 Euro angehoben. Die Überstunden, sprich alles was mehr ist als 35 Stunden pro Woche, sind neu steuer- und sozialabgabefrei. Überdies bat Macron alle Unternehmer, denen es möglich ist, ihren Angestellten einen Jahresend-Bonus auszuzahlen.
Dass die Erhöhung der Benzinpreise vertagt wird, war schon vor Macrons Rede klar. Der Präsident revidierte dies auch nicht.
Dr. Nino Galetti (46), Leiter des Auslandsbüros Frankreich der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, schätzt für BLICK Macrons Rede ein. Für ihn ist klar: «Macrons Ziel war es, die Lage in Frankreich zu beruhigen. Das ist ihm gelungen. Es war eine würdevolle Rede, er hat den Ton getroffen. Es war eine Art mea culpa. Und er hat sofortige Massnahmen garantiert.»
Entlastung der unteren Einkommensgruppen
Galetti erklärt weiter: «Mit seinen Massnahmen entlastet Macron die unteren Einkommensgruppen.» Die Massnahmen kommen für Galetti nicht überraschend. «Er befindet sich ja seit Anfang seiner Präsidentschaft auf Reformkurs. Nun versucht er, die Krise so zu nutzen, dass er seine Reformen schneller umsetzen kann.»
Seine Rede beschliesst Macron fast schon theatralisch: «Meine einzige Sorge seid ihr. Mein einziger Kampf ist für euch. Unsere einzige Schlacht ist für Frankreich. Es lebe die Republik, es lebe Frankreich!», sagte Macron mit Pathos. Galetti: «Das ist normal in Frankreich. Alle Präsidenten reden so.»