Rayshard Brooks' Tochter hatte sich schon herausgeputzt. Im Geburtstagskleidchen wartete die Achtjährige am Samstag auf ihren Papa. Der wollte mit ihr skaten gehen.
Zum perfekten Tag fehlte nur noch ihr Daddy. Doch Rayshard Brooks kam nicht.
«Die Geburtstagsparty lief schon ... es gab Cupcakes», schildert Justin Miller, ein Anwalt der Familie, die herzzerreissende Szene am nächsten Tag. «Während wir da sassen und mit ihrer Mutter darüber sprachen, warum ihr Vater nicht heimkommt.»
Sie konnten nicht ahnen: Daddy wird nie mehr heimkommen. Rayshard Brooks wurde am Vorabend in Atlanta (Georgia) erschossen. Nur Stunden, nachdem der Vater dreier Mädchen (1, 3 und 8) und eines 13-jährigen Stiefsohnes seine älteste Tochter zum Fingernägelmachen und zum Essen ausgeführt hatte, war er – offenbar unter Alkoholeinfluss – in einer Autoschlange vor einem Wendy's-Schnellrestaurant eingeschlafen.
Ein Bodycam-Video zeigt, wie ihn zwei Polizisten aufwecken und einen Alkoholtest durchführen. Der 27-Jährige kooperiert. Erst als ihn die Beamten in Gewahrsam nehmen wollen, wehrt er sich. Er entreisst einem der Polizisten einen Elektroschocker, flieht zu Fuss und verwendete das Gerät gegen seine Verfolger. Polizist Garrett Rolfe (27) schiesst sofort.
Demonstranten zünden Restaurant-Filiale in Atlanta an
Brooks habe in einem Tortilla-Laden gearbeitet und sei extrem von seiner Familie geliebt worden, sagt Chris Stewart, ein weiterer Vertreter der Familie. Das Haus sei voller Verwandten. «Ein Haufen Brüder und Schwestern, die ihn über alles lieben.»
Nicht nur sie entsetzt Brooks' Tod. Der Familienvater ist bereits der elfte Afroamerikaner, der seit dem brutalen Tod von George Floyd (†46) von einem Polizisten erschossen wird.
Am Samstagabend stecken Demonstranten den Ort des Geschehens in Brand. Die Wendy's-Filiale brennt lichterloh. Mindestens 36 Menschen werden festgenommen.
Brooks ist bereits das 11. Opfer von Polizeigewalt seit Floyds Tod
Personelle Konsequenzen folgen schnell. Der Beamte, der die tödlichen Schüsse abgab, wird gefeuert. Sein Kollege suspendiert. Die zuständige Polizeichefin Erika Shield tritt keine 24 Stunden nach dem Vorfall zurück.
Reichen wird das nicht. Die Corona-Krise, unter der die schwarze Bevölkerung in den USA mehr leidet, verschärft die Wut. Die Menschen haben die Ungleichheit satt. Und: Sie haben Zeit für den Protest. Die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordstand.
Protest könnte sich auf US-Präsidentschaft auswirken
Mit dem Druck der Strasse wächst auch jener auf Trump-Herausforderer Joe Biden (77), eine Schwarze als «Running Mate» zu wählen. Gewinnt der Demokrat die Wahlen, könnten etwa Ex-Staatsanwältin und Senatorin Kamala Harris (55) oder die Ex-Polizeichefin und Abgeordnete Val Demings (63) künftig die Zukunft des Landes mitgestalten – und die Versöhnung einer tief gespaltenen Nation in die Hand nehmen.
Brooks' Familie wird all das nichts mehr nützen. Denn Daddy wird nicht nur bei diesem Geburtstag seiner Tochter fehlen.