Schwedens Chef-Virologe Anders Tegnell gibt zu
«Es sind zu viele zu früh gestorben»

Schweden wurde für seinen Mut, keinen Corona-Lockdown durchzuführen, zu Beginn bewundert. Mittlerweile zeigt sich: Der Weg war offenbar falsch. Schwedens Corona-Chef Anders Tegnell hat das in einem Interview zugegeben.
Publiziert: 03.06.2020 um 15:32 Uhr
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Aktualisiert: 17.08.2020 um 12:05 Uhr
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Schwedens Corona-Stratege Anders Tegnell hat sich erstmals selbstkritisch gezeigt.
Foto: imago images/TT

Die ganze Welt schaute in den vergangenen Wochen nach Schweden. Denn während fast alle Länder Corona mit einer Lockdown-Strategie zu verhindern versuchten, gingen die Skandinavier ihren eigenen Weg.

Schulen, Restaurants und Geschäfte blieben offen, Veranstaltungen bis 50 Personen blieben erlaubt. Touristen wurden ausdrücklich eingeladen, nach Schweden zu kommen, wo das Leben noch normal verlaufe. Statt auf Isolation setzte man auf Selbstverantwortung. Konnte das gut gehen? Hatten die anderen Länder übertrieben und das Virus massiv überschätzt?

Tegnell würde anderen Weg gehen

Während viele Ärzte und andere Experten ob des Sonderwegs Sorgen äusserten, freuten sich Corona-Skeptiker. Doch diese Stimmen wurden in den vergangenen Tagen zusehends leiser. Denn die Tendenz scheint eindeutig: Schwedens Strategie dürfte falsch gewesen sein.

70 bestätigte Fälle pro 100’000 Einwohner verzeichnete Schweden in den vergangenen 14 Tagen. Dieser Wert ist mehr als viermal so hoch wie in Italien, neunmal so hoch wie in Deutschland und rund dreissig Mal so hoch wie in der Schweiz. 4400 Erkrankte sind in Schweden an Covid-19 gestorben, 1920 sind es in der Schweiz heute bei ähnlich grosser Bevölkerung (10,2 zu 8,5 Millionen Einwohner) laut der Webseite corona-data.ch.

«Wir würden Mittelweg wählen»

Nun hat sich Schwedens Chef-Virologe Anders Tegnell erstmals selbstkritisch gezeigt. «Wir hätten es besser machen können», sagte Tegnell, der die Strategie ausgearbeitet hatte, im schwedischen Radio. Noch vor zwei Wochen war er sich sicher, alles richtig gemacht zu haben. Nun aber glaubt er, man hätte mehr unternehmen müssen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. «Gäbe es dasselbe Virus erneut und wir wüssten, was wir heute wissen, würden wir einen Mittelweg zwischen unserem und dem der restlichen Welt wählen», sagte Tegnell.

Welche Vorkehrungen in anderen Ländern den grössten Effekt gegen die Coronavirus-Pandemie gezeigt hätten, könne man zwar nur schwer sagen, da diese Staaten viele Massnahmen gleichzeitig ergriffen hätten. Klar für ihn aber sei, dass «zu viele Schweden zu früh gestorben» seien.

Zu Beginn der Woche sagte Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven, man werde untersuchen, ob man in der Pandemie die bestmögliche Strategie gewählt habe. (vof)

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