Am Mittwochabend brannte es erneut auf Moria. Reporter vor Ort berichten von Explosionen, schreibt «Bild». Während in der Nacht zuvor ein Grossteil des Camps vernichtet worden sei, sei am Mittwoch dann auch der Rest in Flammen aufgegangen. Viele von denjenigen, die noch dort ausgeharrt hatten, flüchteten mit ihren Habseligkeiten, melden Nachrichtenagenturen.
Dabei ist schon nach dem ersten Feuer fast nichts mehr übrig vom Flüchtlinngscamp Moria, dem «Slum am Rande Europas». Am Mittwochmorgen zeigt sich folgendes Bild: Schwarze Ruinen, Schutt, Asche. Vereinzelt brennen noch Feuer aus. Der Ort, an dem vor 24 Stunden noch Tausende Flüchtlinge auf engstem Raum schliefen, assen und ausharrten, ist nach dem verheerenden Brand von letzter Nacht Geschichte. Rundherum herrscht Chaos.
«Die Situation ist ziemlich chaotisch», sagt der Schweizer Nicolas Perrenoud (35) von der Hilfsorganisation One Happy Family zu BLICK. «Die Polizei hat Strassenblockaden errichtet, um zu verhindern, dass die Flüchtlinge nach Mytilini laufen.»
Stattdessen müssen die Menschen in der Nähe des Camps ausharren. Und die griechischen Behörden sind mächtig sauer. Sie sind sicher: Die Flüchtlinge haben das Lager selbst angezündet – aus Corona-Frust.
Corona-Fälle lösten Unruhen aus
Regierungschef Kyriakos Mitsotakis (52) kritisierte am Mittwoch die «Haltung einiger Migranten», die allen Anzeichen nach Feuer gelegt und die Feuerwehr anschliessend daran gehindert hätten, den Grossbrand zu löschen. «Es kann keine Ausreden geben für gewalttätige Reaktionen aufgrund von Gesundheitskontrollen», sagte er mit Blick auf die Corona-Fälle und entsprechende Tests in dem Camp.
Seit Beginn der Corona-Krise befinden sich die Bewohner im Lockdown. Der erste offizielle Fall wurde jedoch erst vergangene Woche bestätigt – mittlerweile sind 35 Fälle identifiziert worden. Am Dienstag kündigten die Behörden eine Quarantäne fürs gesamte Lager bis Mitte September an: der Startpunkt für die Unruhen.
Bewohner haben Feuer möglicherweise selbst gelegt
«Niemand weiss, wer das Feuer wirklich gelegt hat», sagt Christos Vasilejou (47). Der Grieche ist der Büroleiter der Hilfsorganisation Eurorelief, die in Moria Flüchtlinge mit Decken und Kleidung erstversorgt und ihnen Unterkünfte und Hygieneprodukte bietet. Aber auch ihn würde es nicht wirklich wundern, wenn die Bewohner selbst das Feuer gelegt hätten – aus Wut und Verzweiflung.
Denn Moria auf der griechischen Insel Lesbos steht wie kein anderer Ort für das Elend der Flüchtlingskrise. Aktuell leben nach Angaben der griechischen Behörden noch immer 12'600 Menschen dort – ausgelegt war das Lager nur für 2800.
«Überall sind Rechte auf Töffs»
Nachdem die Hölle jetzt in Flammen aufging, herrscht Chaos. «Es ist verrückt. Die Polizei bekommt die Lage nicht unter Kontrolle!», sagt Krankenschwester Elena Lydon (56). Die Irin betreut unbegleitete Minderjährige auf der Insel – und ist angespannt. «Die Situation ist sehr schlimm. Ich versuche, 900 Kinder zu finden.» Sogar gegen die habe die Polizei vergangene Nacht Tränengas eingesetzt.
Und die Augenzeugin berichtet: «Überall sind Rechte auf Töffs unterwegs.» Der Schweizer Nicolas Perrenoud bestätigt die Beobachtung. «Wir Helfer werden bedroht. Gestern mussten wir das Verteilen von Zelten wegen der Rechten sogar abbrechen. Die haben auch das Auto einer medizinischen Hilfsorganisation beschädigt.»
Griechische Reederei schickt Schiff
Das verschärft die Situation für die obdachlosen Flüchtlinge und Migranten. «Es ist schrecklich!», sagt Zabi (31), ein afghanischer Flüchtling, der bis vor drei Wochen noch selbst im Camp gelebt hat. Für eine Hilfsorganisation in der rund zehn Autominuten entfernten Hauptstadt Mytilini arbeitet er als Übersetzer. Er fürchtet: «Das wird noch schlimmer. Das wird hart für sie.»
Vorläufig sollen die Menschen in Zelten und auf Schiffen unterkommen. Athen kündigte kurzfristig eine Übergangslösung an: Bereits am Donnerstag sollen zwei Landungsschiffe der Kriegsmarine Migranten aufnehmen, auch eine griechische Reederei soll ein Schiff bereitgestellt haben. Noch gestern Abend sollten rund 400 unbegleitete Kinder von Lesbos aufs Festland gebracht werden.