«Ich glaube, es werden genug Leute da sein, um das über die Linie zu bringen», sagte der frühere Finanzminister Philip Hammond am Dienstag im BBC Radio. Am Nachmittag treffen sich die Abgeordneten zur ersten Sitzung nach der Sommerpause.
Was wollen die «No Deal»-Gegner?
Gegner des Johnson-Kurses wie der Tory-Abgeordnete Hammond wollen einen Antrag einbringen, um das Unterhaus am Mittwoch über eine Brexit-Verlängerung von drei Monaten votieren zu lassen. Aktueller Termin für den EU-Abschied des Vereinigten Königreichs nach mehr als 45 Jahren Mitgliedschaft ist der 31. Oktober. Ein ungeregelter EU-Austritt Grossbritanniens soll so verhindert werden.
Was ist der Plan?
Die Opposition hat in Grossbritannien nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, eine Gesetzesinitiative einzubringen. Daher müssen die Rebellen zu einem Trick greifen, um ihr Gesetz gegen einen No Deal am Mittwoch vorlegen zu können.
Die «No Deal»-Gegner haben eine Dringlichkeitsdebatte mit anschliessender Abstimmung über den Austritt Grossbritanniens aus der EU beantragt. Die Abstimmung am Ende einer Dringlichkeitsdebatte ist eigentlich nicht dafür vorgesehen, die Tagesordnung zu ändern. Doch der Sprecher des britischen Unterhauses, John Bercow, kann das ausnahmsweise erlauben.
Die Abgeordneten schlagen für das Gesetzgebungsverfahren somit ein Prozedere vor, das Debatten einschränkt und ein Inkrafttreten schon nächste Woche möglich machen soll. Der Zeitdruck ist so gross, weil Johnson dem Parlament ab kommender Woche eine gut vierwöchige Zwangspause auferlegt hat.
Wann stimmt das Parlament ab?
Über den Antrag sollte am Montagabend abgestimmt werden, womöglich nicht vor 22.30 Uhr MESZ. Parlamentspräsident John Bercow muss die Debatte erst zulassen, aber das gilt als wahrscheinlich.
Prognosen für das Resultat?
Das Ergebnis ist völlig offen. Die Regierung hat nur eine Stimme Mehrheit, aber es gibt zahlreiche Rebellen aus der konservativen Regierungspartei, die gegen die Regierung und für ein solches Gesetz stimmen wollen.
Acht von ihnen unterzeichneten den Antrag auf die Debatte, darunter prominente No-Deal-Gegner wie der Ex-Schatzkanzler Philip Hammond sowie Dominic Grieve und David Gauke. Andererseits kann die Regierung mit Stimmen aus Oppositionsreihen rechnen. Unter anderem sind in der Labour-Partei Abgeordnete, die einen No-Deal-Brexit in Kauf nehmen wollen.
Noch ist es denkbar, dass die Rebellen scheitern. Beispielsweise könnte Bercow wider Erwarten keine Abstimmung über die Tagesordnung zulassen.
Was passiert nach der Abstimmung?
- Rebellen gewinnen
Sollten sich die Rebellen durchsetzen, gibt es kaum einen Zweifel, dass der Gesetzentwurf am Mittwoch durch das Unterhaus gehen wird. Die echte Herausforderung dürfte bei den Lords warten, wo die Brexit-Hardliner mit einer Flut von Anträgen und Filibuster (Dauerreden) wertvolle Zeit verschwenden können. Theoretisch könnte sich diese Auseinandersetzung bis ins Wochenende hineinziehen.
Gehen die No-Deal-Gegner als Sieger hervor, wäre Johnson gezwungen, eine Brexit-Verlängerung zu beantragen, wenn nicht bis zum 19. Oktober ein Abkommen ratifiziert ist
- Rebellen verlieren
Gelingt es nicht, das Gesetz durchzubringen, bleibt den No-Deal-Gegnern noch ein Misstrauensvotum gegen die Regierung. Sollten die Rebellen die Regierung dabei stürzen, müssten sie sich innerhalb von zwei Wochen auf eine Übergangsregierung einigen. Nur so könnten sie verhindern, dass Johnson eine Neuwahl nach dem 31. Oktober ansetzt und das Land ungebremst aus der EU ausscheidet.
Wie reagiert Premier Johnson auf den Plan?
Johnson lehnt den Plan der parteiinternen Rebellen und der Opposition um Labour-Chef Jeremy Corbyn entschieden ab und droht für den Fall einer Abstimmungsschlappe mit Neuwahlen. Somit macht er die Abstimmung zu einer Vertrauensfrage und droht den Rebellen mit einem Ausschluss aus der Fraktion.
Grossbritannien werde die EU «ohne wenn und aber» - also auch ohne Ausstiegsvertrag - Ende Oktober verlassen, hatte er am Montagabend gesagt.
Johnson könnte bei Neuwahlen tricksen
Corbyn will einem Medienbericht zufolge, dass seine Labour-Partei am Mittwoch im Parlament für eine Neuwahl am 14. Oktober stimmt. Allerdings solle damit ein Mechanismus verbunden sein, womit der Brexit-Termin am 31. Oktober verschoben werde, um einen Ausstieg aus der EU ohne Vertrag zu vermeiden, berichtete der Politik-Ressortchef der Zeitung «The Sun», Tom Newton Dunn, unter Berufung auf Parteikreise.
Das Problem ist, dass der Regierungschef möglicherweise den Wahltermin nachträglich ändern könnte, wenn das Parlament bereits aufgelöst ist. Die Abgeordneten müssten dann machtlos zusehen, wie Johnson das Land am 31. Oktober in einen Brexit ohne Abkommen führt und tags darauf wählen lässt.
Der britische Aussenminister Dominic Raab wirft Parlamentariern «Tricksereien» vor. Damit würden falsche Vorstellungen in der EU genährt, dass Grossbritannien den Ausstieg aus der EU verschieben oder sogar absagen könnte: «Es wird keine weitere Verlängerung geben», sagte er Sky News.
Brexit-Minister will Backstop
Brexit-Minister Stephen Barclay fordert von der EU Zugeständnisse im Umgang mit der Grenze zwischen Irland und Nordirland nach einem EU-Austritt der Briten. Wenn die EU hier nicht kompromissbereit sei, werde sie gar keine Notfalllösung (Backstop) bekommen, sagte Barclay der «Welt» (Dienstaugausgabe).
«So würden die Risiken schon im November eintreten statt wie durch die Übergangsphase vorgesehen erst im Dezember 2020 oder bei einer Verlängerung sogar ein oder zwei Jahre später.» Der sogenannte Backstop soll eine offene Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland garantieren und damit den Friedensprozess in der Region sichern.
Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.
Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.
Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.
Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.
Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.
Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.
Britische Währung schwächelt
Die Unsicherheit setzte am Dienstag der britischen Währung zu: Das Pfund fiel um 0,9 Prozent auf 1,1957 Dollar und damit auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2016. (SDA)
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.