Die britische Regierung will im Fall einer Niederlage im Parlament beim Ringen um einen No-Deal-Brexit in dieser Woche eine Neuwahl herbeiführen. Entsprechende Medienberichte wurden auf Anfrage der Nachrichtenagentur DPA am Montagabend aus Regierungskreisen bestätigt.
Opposition will Brexit-Aufschub erzwingen
Kurz zuvor hatte Premierminister Boris Johnson in einer Erklärung vor dem Regierungssitz Downing Street beteuert: «Ich will keine Wahl und Sie wollen keine Wahl.»
Die Opposition und eine Gruppe von etwa 20 Rebellen aus der Regierungsfraktion wollen den Premierminister in dieser Woche per Gesetz zum Einlenken bei seinem harten Brexit-Kurs zwingen.
Wie aus einem am Montagabend vorgelegten Gesetzentwurf hervorgeht, wollen sie eine Verlängerung der Brexit-Frist um drei Monate erzwingen, sollte bis zum 19. Oktober kein Abkommen mit der EU verabschiedet sein. Dafür planen sie, am Dienstag im Parlament die Kontrolle über die Tagesordnung an sich zu reissen.
Johnson will Brexit um jeden Preis
Johnson droht, sein Land am 31. Oktober ohne Abkommen aus der EU zu führen, sollte sich Brüssel bis dahin nicht auf seine Forderungen nach Änderungen am Austrittsabkommen einlassen. Bislang lehnt die EU das ab, solange London keine umsetzbaren Vorschläge dafür liefert. Im Falle eines ungeordneten EU-Austritts wird mit schweren Konsequenzen für die Wirtschaft gerechnet, vor allem Grossbritannien dürfte es dabei hart treffen.
Der Regierungschef hatte in einer Erklärung am Montagabend die Partei zur Einigkeit aufgerufen. Er werde unter «keinen Umständen» eine weitere Verlängerung der EU-Austrittsfrist beantragen, sagte Johnson. «Wir werden [die Europäische Union] am 31. Oktober verlassen, ohne Wenn und Aber.»
Er hoffe immer noch auf ein Abkommen mit Brüssel. Doch dafür müsse die Regierungsfraktion an einem Strang ziehen. Wer gegen die Regierung stimme, ziehe ihr bei den Verhandlungen mit Brüssel den Boden unter den Füssen weg. Eine Neuwahl wolle er aber vermeiden.
Zeitdruck im Parlament
Der Handlungsdruck für die No-Deal-Gegner ist enorm, weil Johnson dem Parlament eine mehrwöchige Zwangspause verordnet hat, die bereits in der nächsten Woche beginnt. Die Abgeordneten sollen dann erst wieder am 14. Oktober zurückkehren.
Sie haben bis längstens Sonntag Zeit, um ihr Gesetzesvorhaben durchs Parlament zu bringen. Der 14. Oktober kursierte am Montag auch als möglicher Termin für eine Neuwahl.
Der Gesetzentwurf macht genaue Vorgaben, wie die Beantragung der Verlängerung laufen soll. Sogar der Wortlaut des Briefes an EU-Ratspräsident Donald Tusk ist darin vorgegeben. Die Rebellen fürchten, Johnson könnte sonst versuchen, die Absicht des Gesetzes zu umgehen, indem er beispielsweise den Antrag mit unerfüllbaren Bedingungen verknüpft.
Kommt es zu Neuwahlen?
Johnson kann eine Wahl nicht ohne Zutun der Opposition auslösen. Um eine Neuwahl herbeizuführen, braucht der Premierminister die Unterstützung von zwei Dritteln aller Abgeordneten im Unterhaus.
Die Opposition wiederum will auf keinen Fall riskieren, dass Grossbritannien am 31. Oktober aus der EU hinauskracht und dürfte auf einem Wahltermin vor dem Ablauf der Brexit-Frist bestehen. Für Johnson wiederum wäre ein Datum nach dem EU-Austritt vorteilhafter, weil er dann die Konkurrenz aus der Brexit-Partei von Nigel Farage weniger zu fürchten hätte. (SDA)
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.
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