In den USA gibt es 93 Millionen Menschen, die nicht geimpft sind. Genau an diese Menschen richtet sich ein berührender Artikel, den Anita Sircar in der «Los Angeles Times» geschrieben hat. Sircar ist Ärztin für Infektionskrankheiten und klinische Ausbilderin für Gesundheitswissenschaften an der UNCL School of Medicine. Seit 17 Monaten ist sie Tag für Tag mit den kranken Menschen konfrontiert. Jeder, der eingeliefert wird, sei nicht geimpft, sagt Anita Sircar.
In dem Gastbeitrag, der in den USA hohe Wellen wirft, beschriebt die Ärztin den Todeskampf eines ungeimpften Corona-Patienten. Dieser war vor einigen Wochen positiv auf das Virus getestet worden. «Er war 46 Jahre alt. Nach acht Tagen fing er an zu husten und er war sehr müde. Sein Arzt gab ihm Antibiotikum. Es half nicht.»
Impfung hätte schlimmen Verlauf verhindert
Was Sircar besonders bewegt: Der Patient war nicht geimpft gewesen. «Er glaubte nicht an die Wirkung des Impfstoffs. Er sei zu experimentell und nicht hundert Prozent fertig getestet», sagt sie. Nur, damit der Patient später zu noch viel experimentelleren Heilmitteln greifen musste. Aus Angst nahm der Patient nämlich zunächst das Medikament Hydroxychloroquin. Er habe es im Internet gefunden. Doch das hat nicht geholfen. Er bekam Atemnot. «Bei jeder grösseren Bewegung bekam er fast keine Luft», sagt Sircar. «Der Patient wurde in eine Einrichtung gebracht, wo sie ihm monoklonale Antikörper gegeben haben. Eine im Labor hergestellte Transfusion, die die körpereigenen Antikörper ersetzt. Es hat nicht geholfen».
Seine letzte Station sei schliesslich die Notaufnahme gewesen. Dort sei er mit gefährlich niedrigem Sauerstoffgehalt im Blut, extrem hohen Entzündungswerten und fleckigen Infektionsbereichen in seiner gesamten Lunge gelegen. «Nichts konnte ihm noch helfen. Nur die Impfung hätte diesen schweren Verlauf verhindern können. Schlussendlich konnte er kaum mehr atmen, der Patient starb Tage später an einem Schlaganfall.»
Die Ärztin empfindet kein Mitleid
Vor einem Jahr hätte die Ärztin bei so einem Fall mit den Tränen gerungen. Sie habe grosse Mühe gehabt, wenn ein Patient gestorben ist. «Jetzt ist das anders. Ich konnte kein Mitleid empfinden. Im Team haben wir darüber gesprochen und sind zum Schluss gekommen, dass er sich ja nicht impfen lassen wollte», schreibt sie. Sie hätten alles getan, um den Patienten zu retten. Am Ende sei es aber ein völlig unnötiger Verlust gewesen. «Wir hätten den Mann nie kennengelernt, hätte er sich impfen lassen», so Sircar. (was)