Was ChatGPT kann – und was nicht
Ein selbstbewusster Gesprächspartner

ChatGPT ist eine künstliche Intelligenz, die Texte umschreibt, Einschätzungen abgibt, sogar Gedichte und wissenschaftliche Arbeiten verfassen kann. Das Feld der Möglichkeiten ist riesig.
Publiziert: 29.01.2023 um 15:19 Uhr
Bernd Volf ist Chief Technology Officer und Chief Product Officer von Ringier im Medienbereich.
Bernd Volf

Der Konversationsroboter ChatGPT bewegt derzeit viele. Die Firma, die dieses System auf Basis künstlicher Intelligenz (engl. Artificial Intelligence, AI) entwickelt hat, nennt sich OpenAI. Neben ChatGPT bietet sie Produkte wie Dall-E (Text-zu-Bild-Generator) an.

OpenAI war ursprünglich ein Non-Profit-Unternehmen. Laut ChatGPT ist es «eine Forschungsorganisation und Technologie-Firma, die AI entwickelt und fördert, um die Verbreitung von freundlicher AI zu fördern und zu entwickeln, um das Wohl der Menschheit insgesamt zu fördern». 2019 wurde OpenAI zur teilweise gewinnorientierten Firma. Dies hat zwar an ihrer Mission nichts geändert, bedeutet aber, dass ein Investment wie das von Microsoft über eine Milliarde Dollar nicht als Spende anzusehen, sondern zweifellos mit einer Gewinnerwartung verbunden ist.

Was genau ist oder kann ChatGPT nun eigentlich? Seine künstliche Intelligenz ist mit Daten darauf trainiert, in schriftlicher Form auf nahezu menschliche Art zu kommunizieren – in einer von Nutzern bisher nicht erlebten Qualität. Aktuell ist ChatGPT noch in einer Vorschauversion mit deutlichen Einschränkungen kostenfrei nutzbar. Dies dürfte sich aber ändern. Schon im kommenden Jahr soll das Umsatzziel von einer Milliarde US-Dollar erreicht sein.

ChatGPT kann auf Fragen Antworten und Zusammenfassungen liefern, Texte umschreiben und Einschätzungen formulieren, sogar Gedichte oder Lieder schreiben und Papiere im Stil von wissenschaftlichen Arbeiten verfassen – und das alles in vielen Sprachen (sogar auf Schweizerdeutsch). Aber ChatGPT kann weitaus mehr, unter anderem den Quellcode für Software-Entwickler verfassen und Codes auf Sicherheitslücken analysieren. Das System wird demnächst dafür sorgen können, dass die Microsoft-Suchmaschine Bing auf Fragen nicht mehr mit einer Liste von Internetseiten reagiert, sondern mit einer Antwort à la ChatGPT. Dies setzt nicht zuletzt Google, den Quasi-Monopolisten bei der Internetsuche, unter gewaltigen Druck.

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Dieses System ist ein ausserordentlich eloquenter Schreiber, der durchaus überzeugend sein kann, sich aber manches nur zusammenreimt.
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Daher fragen jetzt viele: Was kann ChatGPT eigentlich nicht?
Über den Nutzerkontakt hinaus hat es keine aktive Verbindung mit dem Internet; sein Wissen ist sozusagen im Jahr 2021 stehen geblieben. Es besitzt weder Verständnis für Alltagssituationen noch Weltkenntnisse jenseits der Datenmassen, die es beim Training aufgesogen hat. Allerdings kann man ihm Internetlinks übergeben, die der Chatroboter quasi nachliest. So verarbeitet er auch aktuelle Informationen.

Seine Fähigkeit, übergeordnete Zusammenhänge und Hintergrundinformationen zu verstehen, ist jedoch begrenzt. Auch mit hochkomplexen technischen Informationen kommt er an seine Grenzen. Und manche Texte von ChatGPT, obwohl souverän formuliert, sind schlicht falsch.

Das bedeutet: Dieses System ist ein ausserordentlich eloquenter Schreiber, der durchaus überzeugend sein kann, sich aber manches nur zusammenreimt. OpenAI selbst sagt: «ChatGPT wird gelegentlich Fakten erfinden oder Ergebnisse ‹halluzinieren›.»

Da für den menschlichen Leser nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, wie hoch der Anteil solcher Antworten ist, ist dies eine zusätzliche Herausforderung. Faktenchecks und kritische Begutachtung von ChatGPT sind daher notwendig, um nicht von unserem neuen Freund in die Irre geführt zu werden.
Auch Möglichkeiten zum Missbrauch dürfen nicht vergessen werden, zum Beispiel die Herstellung von Plagiaten auf neuem Niveau oder die Versuchung für Schüler und Studenten, Arbeiten von ChatGPT schreiben zu lassen.

Vielleicht noch riskanter sind die erleichterte Produktion und massenhafte Verbreitung von seriös wirkenden Texten, die auf Lügen aufbauen – oder sogar einen kriminellen Hintergrund haben.

Darüber, ob der Chatroboter irgendwann Arbeitsplätze kosten wird, gibts bisher nur Vermutungen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass AI in naher Zukunft Veränderungen für einige Berufsgruppen und in vielen Lebensbereichen bedeutet, etwa für Lehrkräfte, Software-Entwickler, Mitarbeiter im Kundencenter, Anwälte oder Journalisten.

Andererseits könnten durch die Technologie auch neue Berufe entstehen. Zunächst wird sie wohl eher als Unterstützung bei traditionellen Tätigkeiten und nicht als Vollersatz zum Einsatz kommen.

In naher Zukunft will OpenAI die Weiterentwicklung GPT-4 auf den Markt bringen, die bei weniger Input schneller und leistungsfähiger sein soll – was die Massentauglichkeit ebenso optimieren wird wie ihren massenhaften Einsatz. Aktuell ist keine Revolution zu erwarten, sondern eher eine deutliche Evolution, die aber durchaus neue kommerzielle Möglichkeiten eröffnen wird.

Zu erwarten ist schliesslich die Einführung von Vall-E, das geschriebenen Text in Sprache verwandelt und mit wenigen Sekunden Originalton eine Stimme perfekt zu imitieren vermag, inklusive Hintergrundgeräuschen.

Auch hier ist das Feld der Möglichkeiten riesig, im Guten wie im Schlechten.

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