Durchhalten! Aushalten!
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BlickPunkt zur Corona-Krise
Durchhalten! Aushalten!

Kaum jemand hat geahnt, mit welcher Wucht dieses Virus unsere Gesellschaft aus den Fugen heben würde. Doch nun gibt es nur eins: die Zeit der Ängste und Entbehrungen gemeinsam zu überstehen.
Publiziert: 20.03.2020 um 22:47 Uhr
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Foto: Nathalie Taiana
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Wir haben uns alle geirrt! Bis auf eine Handvoll Epidemiologen und Virologen hat niemand kommen sehen, dass das Coronavirus unser Land, unseren Alltag, unser ganzes Leben zu einer Vollbremsung zwingen würde: kein Politiker, kein Wissenschaftler, kein Journalist.

Im Nachhinein fragt sich nun jeder: Wieso waren wir so blind? Wir hätten doch voraussehen können, dass das Virus irgendwann von China nach Europa und in die ganze Welt übergreift. Dass es das Gesundheitswesen aller Nationen heraus- und überfordert. Dass mehr Menschen auf eine Intensivstation angewiesen sein werden, als Plätze zur Verfügung stehen. Dass die Regierungen deshalb zu drastischen Mitteln greifen müssen. Dass das öffentliche Leben nahezu komplett zum Stillstand kommt.

Wir alle haben glauben wollen, das Coronavirus sei so etwas wie ein Grippe-Erreger – und dabei übersehen, dass noch kein Impfstoff vorhanden ist. Denn so kann sich das Virus völlig ungehindert verbreiten und vor allem die Risikogruppen treffen: kranke und ältere Menschen.

So aber schockieren jetzt die Bilder aus Italien: Das Gesundheitswesen dort ist derart überlastet, dass Menschen in Hallen aufgereiht dem Tod entgegensehen.

Die Schweiz muss solche Verhältnisse zu verhindern suchen. Dazu aber braucht es uns alle. Und unsere Bereitschaft, Einschränkungen auszuhalten und diese schwierige, ja surreale Zeit gemeinsam zu überstehen.

Jetzt muss jede und jeder von uns auf einen Grossteil der gewohnten sozialen Aktivitäten verzichten. Vor allem ältere Menschen sind jetzt gemeint: Wenn sie sich nicht komplett abschotten, sind sie in Lebensgefahr! Die Sterblichkeit der über 80-jährigen Patienten liegt bei 15 Prozent! Gäbe es Pralinen, bei denen jede sechste tödlich wäre – niemand würde auch nur eine dieser Pralinen essen.

Ebenso verwerflich wie die Corona-Partys der Jüngeren ist es, wenn ältere Menschen sich jetzt nicht strikt an die Regeln der Behörden halten. Schliesslich steht derzeit vor allem aus Solidarität mit ihnen unsere gesamte Gesellschaft still.

Der Bundesrat hat recht, wenn er auf Eigenverantwortung setzt, denn er weiss: Die weit überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger verhält sich auch ohne Ausgangssperre vernünftig. Die Verantwortlichen wissen aber auch: Gerade in der Schweiz kann man nicht einfach das ganze Volk einsperren.

Vor allem muss nun die Wirtschaft am Leben erhalten werden – koste es, was es wolle. Sonst wird es bei weitem teurer als 42 Milliarden Franken, wie sie der Bundesrat bisher zur Verfügung gestellt hat. Wenn die Betriebe nach Wochen oder Monaten der Schliessung die Arbeit wieder aufnehmen – und wenn noch alle ihre Jobs haben –, dann wird der Spuk bloss eine schmerzhafte Delle in der Statistik hinterlassen. Wenn nun aber reihenweise Unternehmen Konkurs anmelden, wenn die einen ihren Job verlieren und die anderen aus Angst davor kein Geld mehr ausgeben: dann gerät die Schweiz in eine zerstörerische Abwärtsspirale.

Künftige Generationen von Historikern werden diese Krise aufarbeiten und sich fragen: Wieso hat niemand das Unheil kommen sehen? Haben die Menschen zu spät reagiert? Oder war der Schaden, den der Kampf gegen Corona verursacht hat, letzten Endes grösser als der Schaden durch den Virus selbst?

Sicher ist im Augenblick nur eins: Wir erleben gerade ein epochales Ereignis, das keiner von uns je vergessen wird!

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