Zugegeben, ich hatte am Montag einen Coiffeurtermin – gleich morgens um halb elf. Noch befreiender als das frische Gefühl auf meinem Kopf war die Aufbruchstimmung im Salon: Trotz Masken und Abstandsregeln war den Angestellten beim Schneiden und Waschen die Euphorie anzumerken, mit der sie die Wiederauferstehung ihres Ladens feierten.
Währenddessen hatten sich vor Baumärkten, Gartencentern und Drive-ins lange Schlangen gut gelaunter Kunden gebildet.
Am Mittwoch steigerte der Bundesrat dieses Wohlgefühl sogar noch, indem er das Tempo seines Lockerungsfahrplans erhöhte: Ab Montag übernächster Woche dürfen die Schweizerinnen und Schweizer wieder in alle Kleiderläden, Fitnesscenter, Handwerksgeschäfte, Museen, Reisebüros und vieles andere mehr.
Die Tage des Lockdowns sind gezählt: Wir dürfen uns freuen – freuen wir uns! Denn die wirtschaftlichen Schäden der Corona-Krise wachsen mit jeder weiteren Stunde des gesellschaftlichen Stillstands, obwohl die Fallzahlen nur noch langsam steigen.
Je mehr Normalität zurückkehrt, je stärker die Pandemie zur Wirtschaftskrise wird, desto heftiger keimen die Zweifel auf: War die Notbremsung allen öffentlichen Lebens wirklich nötig? Oder sind wir da nur einem Hirngespinst erlegen? Einer kollektiven Angst, ja Hysterie? War der Shutdown ein milliardenteurer Irrtum? Haben wir zu sehr auf Virologen und Epidemiologen gehört, war Corona doch nur – wie immer noch viele glauben – eine starke Grippe?
SonntagsBlick-Redaktor Thomas Schlittler fand eine Antwort auf diese Fragen, als er die Sterbezahlen der vergangenen fünf Jahre im Tessin auswertete: Von 2015 bis 2019 starben im Südkanton zwischen Mitte März und Mitte April durchschnittlich 62 Menschen pro Woche. 2020 waren es im Vergleichszeitraum 122 Tote, also praktisch doppelt so viele – viel mehr als selbst in einem schweren Grippejahr!
Nicht auszudenken, wenn die Corona-Fallzahlen weiter gestiegen wären, wenn die Seuche vom Tessin ungebremst auf die ganze Schweiz übergegriffen hätte! Sogar unser solides Gesundheitssystem wäre da zusammengebrochen, inklusive schockierender Zustände wie in Italien und Spanien, wo Kranke massenweise in Turnhallen aufgereiht wurden.
Diese Bilder sollten wir im Kopf behalten, wenn die Schreckenswirkung des Coronavirus schwindet.
Klar ist aber auch: Den erneuten Shutdown einer zweiten Corona-Welle dürften die Menschen in unserem Land nicht mehr so gelassen akzeptieren – gerade weil die Schweiz in der ersten Welle vergleichsweise glimpflich davongekommen ist. Aber auch, weil der wirtschaftliche Schaden schwerer und schwerer auf den Seelen der Schweizerinnen und Schweizer lastet.
Nur: Wie verhindern wir eine zweite Welle?
Indem wir durch solidarisches, besonnenes, vorsichtiges Verhalten dafür sorgen, dass es gar nicht erst so weit kommt!
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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