Hurra, wir leben noch!
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BlickPunkt über die neue Welt:Hurra, wir leben noch!

BlickPunkt über die Vision einer Welt ohne Corona
Hurra, wir leben noch!

Die Geschichte des Jahres 2020 hat einen völlig anderen Verlauf genommen, als irgendjemand noch im Januar angenommen hätte. Stellen wir uns nur einmal vor, das Virus Sars CoV-2 wäre nie auf den Menschen übergesprungen ...
Publiziert: 30.05.2020 um 00:04 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Seit Anfang März ist alles anders. Ab und zu schaue ich in meine Agenda, wo ich alle abgesagten Termine stehen gelassen habe. Und ich reibe mir die Augen: Was ist da bloss geschehen?

Die Corona-Krise hat unser Leben total auf den Kopf gestellt. Sie hat alles gelöscht, verschoben oder in eine neue Reihenfolge gebracht, was die Welt bisher beschäftigte. Heute berichtet BLICK darüber, was daraus geworden ist.

Niemand redet mehr vom Konflikt zwischen den USA und dem Iran. Dabei herrschte nach der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani noch die Angst vor einem neuen Weltkrieg!

Der Amazonas in Brasilien brennt und brennt, aber wen interessiert es ausser den Eingeborenen, die dort leben?

Greta Thunberg (17) scheint wie vom Erdboden verschluckt. Der heisse April und die Dürre wären die beherrschenden Themen dieser Tage – stattdessen waren wir einfach nur froh, dass in den Wochen des Lockdowns wenigstens die Sonne schien.

Das Rahmenabkommen mit der EU? Europa hat andere Sorgen. Die SVP-Begrenzungs-Initiative? Auf den Herbst vertagt. Die Crypto-Affäre? Was war das doch gleich? Dabei schrieb das «St. Galler Tagblatt» noch im Januar: «Diese Spionageaffäre erschüttert die Eidgenossenschaft in ihren Grundfesten. Auf dem Spiel steht die Geschichtsschreibung.»

Hätte es das Coronavirus nicht gegeben, wäre Bundesrat Alain Berset (48) vor allem wegen des Scheiterns seiner Sozialreformen bekannt. Nun erscheint er plötzlich wie ein Landesvater – ihn umwehe «ein Hauch von General Guisan», wie die «NZZ» schrieb. Und sein Virendelegierter Daniel Koch (65) könnte konkurrenzlos zum «Schweizer des Jahres» gewählt werden, wenn es den Titel noch gäbe.

Sogar die Sache mit dem Tod sieht heute anders aus als zu Beginn des Jahres 2020.

In Polen liegen gesicherte Zahlen darüber vor, dass in der Corona-Krise deutlich weniger Menschen starben als in normalen Jahren. Zwar hatte auch Polen zahlreiche Pandemie-Opfer zu beklagen. Doch während des Lockdowns ereigneten sich bedeutend weniger Verkehrs- und Arbeitsunfälle – es gab sogar weniger Grippe-Tote, weil man sich nicht ansteckt, wenn man das Haus nicht verlässt.

Das heisst allerdings nicht, dass die Corona-Notmassnahmen überflüssig gewesen wären – im Gegenteil: Ohne die Stilllegung des öffentlichen Lebens hätte es zusätzlich zu den zu erwartenden Todesfällen deutlich mehr Corona-Tote gegeben.

Aber es wäre statistisch wahrscheinlicher gewesen, dass Sie oder ich bei einem normalen Verlauf des Jahres 2020 bei einem Autounfall gestorben, unters Tram gekommen, im Schwimmbad ertrunken, in ein Tobel gestürzt, von einem Baugerüst erschlagen oder in eine Schlägerei verwickelt worden wären.

Wir werden nie erfahren, was das Schicksal in normalen Zeiten für uns vorgesehen hätte. Aber ohne jeden Zweifel dürfen wir uns freuen, dass wir den Lockdown überstanden haben.

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