Trump und Terror – beide sind unberechenbar
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BlickPunkt von Christian Dorer:Trump und Terror – beide sind unberechenbar

BLICKPunkt über die USA, den Iran und Davos
Trump und Terror – beide sind unberechenbar

Es gibt gute Gründe, Terroristen zu töten. Sie gelten auch für Staatsterroristen wie Qassem Soleimani. Doch die Folgen einer solchen Operation sind immer hochriskant. Nach der Eliminierung des iranischen Generals starben 176 Flugzeugpassagiere!
Publiziert: 10.01.2020 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2020 um 09:34 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson
Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe

Viele finden schon aus Prinzip falsch, was Donald Trump (73) tut – ganz egal, um was es gerade geht. So waren die Empörten sofort zur Stelle, als der US-Präsident in der Nacht auf vergangenen Freitag den iranischen Chefterroristen Qassem Soleimani mit drei Lenkraketen töten liess.

Dem iranischen General braucht niemand eine Träne nachzuweinen: Im Verlauf seiner blutigen Karriere verantwortete er den Tod von Tausenden, drohte Israel mit der Auslöschung, bekämpfte unsere demokratischen Freiheiten.

Dass die westliche Weltmacht USA die schlimmsten Schlächter dieses Planeten gezielt ausschaltet, ist nicht verkehrt: Al-Kaida-Chef Osama bin Laden (1957–2011), IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi (1971–2019) und nun eben Soleimani (1957–2020). Wir können froh sein, dass es sie nicht mehr gibt!

Auch gezielte militärische Interventionen können berechtigt sein: Als Syriens Diktator Bashar al-Assad (54) 2017 Giftgas gegen seine eigene Bevölkerung einsetzte, liess Trump Marschflugkörper auf den Militärflugplatz abfeuern, von dem die Maschinen mit dem Gas an Bord gestartet waren und zeigte damit allen Schurken dieser Welt: Wenn ihr die rote Linie überschreitet, dann krachts!

Und doch sollte man solche Antiterror-Operationen nicht bejubeln – und erst recht keine Kriegseinsätze: Sie sind unberechenbar und haben auffallend häufig andere Wirkungen als von den Strategen vorgesehen.

Iraks Diktator Saddam Hussein (1937–2006) war von der übelsten Sorte – doch erst nach seiner Eliminierung konnte die Terrormiliz IS entstehen. Muammar al-Gaddafi (1942–2011) war ein ebenso widerlicher Gewaltherrscher – doch seit er nach westlichen Bombenangriffen gelyncht wurde, herrscht in Libyen Bürgerkrieg, und der nächste Diktator steht vor der Machtübernahme.

Auch nach der Tötung Soleimanis trat bereits ein unerwartetes Ereignis ein: Eine iranische Luftabwehr-Rakete schoss ein Passagierflugzeug ab – 176 Menschen starben. Wie hätte Trump reagiert, wenn US-Bürger getötet worden wären …?

Zum Glück scheint die Eskalationsspirale gebrochen: Offenbar waren die USA vor einem Vergeltungsangriff Teherans auf Militärstützpunkte im Irak gewarnt und konnten ihre Soldaten in Sicherheit bringen. Trump reagierte fast schon versöhnlich auf die iranischen Raketen. So wahrten beide Seiten ihr Gesicht.

Übernächste Woche rückt die Schweiz in den Brennpunkt des Konflikts USA-Iran: Sowohl Trump als auch der iranische Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif (60) haben ihren Besuch beim WEF in Davos angekündigt.

Gemäss allen Gesetzen der Diplomatie werden sich die beiden aus dem Weg gehen. Weil der US-Präsident jedoch aus Prinzip unberechenbar reagiert, ist nicht auszuschliessen, dass er mal wieder einen Deal machen will – und das WEF im 50. Jahr seines Bestehens einen welthistorischen Moment erlebt.

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