BlickPunkt über die grüne Bundesratskandidatur
Wie man nicht Bundesrat wird

Nach ihrem historischen Wahlsieg fordern die Grünen einen Sitz in der Landesregierung. Doch so, wie sie dabei vorgehen, werden sie ziemlich sicher scheitern. Zumindest vorerst.
Publiziert: 22.11.2019 um 23:24 Uhr
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Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

«Ich will die Klimawahl in den Bundesrat tragen!» Mit diesen Worten verkündete Grünen-Präsidentin Regula Rytz (57) am Donnerstag ihre Kandidatur für die Landesregierung. Schliesslich hat sie ihrer Partei einen historischen Sieg beschert: 13,2 Prozent Wähleranteil – plus 6,1! Da ist es nur konsequent, dass sie selbst in den Ring steigt.

Rytz ist seit acht Jahren Nationalrätin und verfügt über Regierungserfahrung in der Stadt Bern. Sie hat die Statur, die es braucht, damit man sie sich als Bundesrätin vorstellen kann. Und doch ist ihre «Operation Bundesrat» praktisch bereits gescheitert, bevor es richtig losgeht. Aus fünf Gründen:

1. Die Grünen haben den richtigen Zeitpunkt verpasst. Geschlagene fünf Wochen brauchten sie, um sich zu Kandidatur und Kandidatin durchzuringen – so bleiben bis zum Wahltag am 11. Dezember gerade noch zweieinhalb Wochen für die Hearings der anderen Parteien. So geht das nicht! Wer in den Bundesrat will, muss das unmissverständlich einfordern, nicht wochenlang lavieren.

2. Die Grünen haben den Schwung des Sieges nicht ausgenutzt. Wie viel stärker wäre die Wirkung gewesen, hätten sie noch am Wahlsonntag verkündet: Wir wollen in den Bundesrat! Wir treten an! Regula Rytz ist unsere Kandidatin! So aber war die «grüne Welle» schon bei den zweiten Wahlgängen zum Ständerat abgeebbt, und auch das Resultat von Rytz in Bern enttäuschte.

3. Die Grünen verbeissen sich in Ignazio Cassis. Sie verlangen den Sitz des Tessiners und keinen anderen. Warum greifen sie nicht CVP-Bundesrätin Viola Amherd an? Deren Partei ist nur noch die fünftgrösste … Cassis' Parteikollegin Karin Keller-Sutter verschonen sie, weil sie eine Frau ist; Simonetta Sommaruga, weil sie eine Linke ist. Die Taktik der Grünen ist etwas gar durchsichtig: Cassis wurde zum Feindbild der Linken, also ist es am einfachsten, ihn zu attackieren.

4. Die Grünen verheddern sich in Widersprüche: «Eigentlich» ist die Grüne Partei dagegen, bisherige Bundesräte abzuwählen. Und «eigentlich» sollte auch ein Tessiner im Bundesrat sein. Aber wenn es um die eigene Macht geht, gelten diese Bekenntnisse plötzlich nicht mehr.

5. Die Rechnung der Grünen geht nicht auf: Die Partei bräuchte für ihren Regula-Rytz-Coup alle Stimmen der Linken, der Grünliberalen und eines Gutteils der CVP. Nur: Warum sollten die Mitteparteien mit dieser Hauruck-Übung einen deutlichen Linksrutsch herbeiführen? Und weshalb sollten sie dabei erst noch mit der immer noch gültigen Tradition brechen, im Interesse der Stabilität auf die Abwahl von Bundesräten zu verzichten?

Aber selbst wenn die Grünen diesmal scheitern: Sie haben den Grundstein für künftige Wahlen gelegt. Sollte sich ihr Erfolg vom 20. Oktober in vier Jahren als Paradigmenwechsel erweisen und nicht nur als Modeerscheinung, dann bricht früher oder später auch im Bundesrat eine neue Ära an.

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