Die Grünen greifen an – und ihr Ziel ist klar: der Sitz von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (58). Parteipräsidentin Regula Rytz (57) gab heute in Bern ihre Kandidatur bekannt. Sie räumte ein: «Ich verstehe sehr gut, wenn das im Tessin nicht nur Freude auslöst.»
Denn mit Cassis sitzt nach fast zwanzig Jahren erstmals wieder ein Vertreter der italienischsprachigen Schweiz in der Regierung. Nach gerade einmal einer halben Legislatur droht das Tessin nun bereits wieder den Anschluss zu verlieren. Und Cassis wie Ruth Metzler 2003 und Christoph Blocher 2007 die bittere Abwahl.
Aus Sicht von Rytz müssen die Interessen der Tessiner nun hinten anstehen. Parteien, Sprache, Geschlecht: «Es wird schwierig sein, immer alle berechtigten Ansprüche gleichzeitig zu erfüllen», sagte sie an der Medienkonferenz. Angesichts des Wahltriumphs der Grünen sei es nun wichtig, dass sie in der Regierung vertreten sind.
KKS muss sich keine Sorgen machen
Würde Cassis jetzt bereits seinen Sitz verlieren, hätte er nicht einmal Anspruch auf das Ruhegehalt, das alt Bundesräten zusteht. Denn dafür muss man mindestens vier Jahre im Amt gewesen sein. Die einzige Ausnahme: wenn man aus gesundheitlichen Gründen früher zurücktreten muss.
Während Ignazio Cassis um seinen Sitz zittern muss, muss sich Parteikollegin Karin Keller-Sutter (55) keine Sorgen machen. Ihren Sitz anzugreifen, kommt für Rytz nicht in Frage. Erstens, weil Cassis' Wiederwahl am 11. Dezember vor derjenigen Keller-Sutters ansteht. Denn die Reihenfolge wird durch das sogenannte Anciennitäts-Prinzip bestimmt: Der Amtsälteste wird zuerst, die Amtsjüngste zuletzt gewählt. Sollte der Angriff auf den FDP-Sitz scheitern, werde man es ganz sicher kein zweites Mal versuchen, so Rytz.
Zudem machte sie klar, dass es für die Grünen keine Option ist, nach den Wahlen, die als Frauenwahlen in die Geschichte eingingen, eine Frau abzuwählen. Und den Sitz einer anderen Partei anzugreifen, steht für die Grünen schon gar nicht zur Debatte. Sollte sie beispielsweise auf Kosten von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga gewählt werden, würde sie die Wahl nicht annehmen, sagte Rytz.
Rytz kritisiert die FDP
Rytz betonte in ihrer Rede, sie sei sich bewusst, dass eine Abwahl eines Bundesrats «die absolute Ausnahme» bleiben müsse. Doch sie warf der FDP vor, mit dem Auswechseln ihrer Regierungsmitglieder dieses Argument zur Farce gemacht zu haben.
Sie argumentierte zudem mit den zentralen Themen ihrer Partei: Umwelt und Klima. Zur Rettung von beidem sei dringendes Handeln angezeigt. Da könne man nicht einfach warten, bis jemand freiwillig Platz macht.
FDP in Alarmbereitschaft
Die FDP ist nach der Ankündigung Rytz' in Alarmbereitschaft. Noch während im Konferenzsaal in Bern Interviews mit der Grünen-Politikerin geführt wurden, kündigte sie für morgen kurzfristig ebenfalls eine Medienkonferenz an. Sie findet nur kurz nach derjenigen der Grünen statt, an der diese ihre definitive Bundesrats-Strategie bekannt geben. Der Kampf um den Sitz von Cassis ist eröffnet.