Schlechter Geschmack ist nicht illegal
«Layla» und die Freiheit der Kunst

In Bezug auf Frauenrechte gibt es grössere Baustellen als alberne Songs, schreibt SonntagsBlick-Reporterin Camille Kündig.
Publiziert: 16.07.2022 um 21:31 Uhr
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Aktualisiert: 18.07.2022 um 09:39 Uhr
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DJ Robin & Schürze feiern den ersten Rang von «Layla» in den deutschen Single-Charts.
Camille Kündig

Dreissig Grad im Schatten, die Gemüter sind erhitzt. Während sich Tausende auf Mallorca amüsieren, echauffieren sich im DACH-Raum Menschen und Medien über den Sommerhit «Layla». Das Musikerduo DJ Robin & Schürze lallt in dem Song: «Ich hab’ ein Puff und meine Puffmama heisst Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler. La-La-La-La-La-La-La-Layla.»

Für einen lauten Teil der Twittosphäre ist klar: Die Lyrics triefen vor Sexismus. An deutschen Volksfesten wurde der Schlager diese Woche verboten. Notabene von einem Schützenverein, der bis vor kurzem keine einzige Frau im Vorstand duldete. Radios spielen den Song nicht, obwohl er Spitzenplätze in den Hitparaden belegt. Pech für «Layla»: Im Gegensatz zu «Whistle» oder «Despacito» wird das Lied auf Deutsch gesungen.

Es ist eine verlogene Debatte. Die hohen Streamingzahlen zeigen: «Layla» ist weit über den Ballermann und Geschlechtergrenzen hinaus beliebt. Der Text scheint viele nicht zu stören. Auf einem Video ist zu sehen, wie Nachwuchspolitiker aus CDU und CSU am Ende eines Events den Hit über Lautsprecher scheppern lassen und die politische Elite in spe – Männer wie Frauen – lautstark mitgrölt.

Das Lied handelt weder von Gewaltfantasien noch von übergriffigem Verhalten. Prostitution ist Realität und hierzulande eine anerkannte Dienstleistung. In der Schweiz bezahlen Schätzungen zufolge 125'000 Männer regelmässig für Sex.

Der Schlager besteht aus plumpen Parolen und monotonen Beats. Ein vom deutschen Fernsehen befragter Wirt bringt es auf den Punkt: «Das Lied ist ein bisschen blöd.» In meinen eigenen vier Wänden hat es Hausverbot. Weil ich es schlecht finde. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.

Ich halte es somit wie der deutsche Bundesjustizminister Marco Buschmann, der diese Woche schrieb: «Man muss Schlagertexte nicht mögen. Man kann sie sogar doof oder geschmacklos finden. Sie aber behördlich zu verbieten, finde ich, ist eins zu viel.»

In Bezug auf Frauenrechte gibt es grössere Baustellen als alberne Songs. Im Musikvideo wird «Layla» übrigens humoristisch von einem verkleideten Mann dargestellt. Zwei Jahre lang haben wir aufgrund der Pandemie auf Partys und Blödeleien verzichtet. Bleibt zu hoffen, dass sich die Gemüter rasch abkühlen.

Denn ob man sie mag oder nicht: Ballermannsongs fallen unter die Kategorie Kunst. Und Kunstfreiheit gilt auch für ordinäre Dinge.


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