Taxifahrten waren eine Zumutung. Bis man – zum Beispiel bei Regen oder an Festtagen – überhaupt ein freies fand! Kurze Strecken verweigerten viele Fahrer aus Prinzip. Bei denen, die tatsächlich ihren wertvollen Standplatz opferten, half oft nicht mal ein Trinkgeld, den Sauertopf hinterm Steuer wieder milde zu stimmen. Obwohl er sich kaum in der Stadt auskannte und man für die Extraschlaufen natürlich trotzdem bezahlen musste.
Dann kam Uber aus den USA. Die Preise purzelten, die Fahrer wurden freundlicher, die Warterei war vorbei, dank Software fand sich an jeder Ecke ein Chauffeur. Die Innovation setzte sich durch, das Leben wurde bequemer, die Geschichte könnte hier zu Ende sein.
Nur ist sie es nicht. Denn die Amerikaner hatten noch mehr im Gepäck: eine neue Arbeitsform, die Gig Economy. Viele Menschen ringen nun als Pseudo-Selbständige um Aufträge einer Internetplattform.
Bezahlt wird nur pro Auftrag. Steuern, Versicherung oder Vorsorge müssen die Beschäftigten selbst berappen. Ihre Tarife können sie nur teilweise oder gar nicht bestimmen. Laufend werden sie von Kunden bewertet und sind so schnell austauschbar wie eine Einwegmaske.
Längst geht es um mehr als um Taxifahrer. Das Gig-System betrifft alle, weil in Zukunft fast jeder Job ausgelagert werden kann. Putzfrauen und IT-Profis werden bereits damit gebucht, das Heer der Essenskuriere arbeitet schon länger so.
Das neue System muss nicht schlecht sein. Manche schätzen das Selbstbestimmte und Flexible dieser Arbeit. Es kann ein willkommener Nebenverdienst sein.
Unreguliert wie der Markt jetzt ist, schadet er aber unserem Sozialstaat. Firmen wie Uber vernebeln ihren Arbeitgeberstatus. Auf diese Weise lassen sich Sozialabgaben und Steuern sparen. Das gefährdet soziale Errungenschaften ganzer Jahrhunderte. Unsere Gesellschaft driftet auseinander, die Ungleichheit nimmt zu.
Wenn es Unternehmen nur darum geht, das Gesetz auszureizen, muss der Staat reagieren. Und Massnahmen ergreifen: Wer in der Schweiz wirtschaftet, muss sich an hiesiges Recht halten. Pseudoselbständigkeit dürfen wir nicht mehr akzeptieren. Es gibt keinen Grund, dass wir uns fremden Firmen anpassen.
Und: Der Staat muss die Beweislast umdrehen. Wenn eine Arbeit per Plattform angeboten wird, kann der Staat automatisch davon ausgehen, dass die Beschäftigten unselbständig sind. Die Firmen müssen dann das Gegenteil beweisen.
Wer die Arbeit von lauter Selbständigen offerieren kann, macht sie preisgünstiger. Auf Kosten der Werktätigen, denen etwa eine berufliche Vorsorge oder die Unfallversicherung fehlt. Das muss bei den Billigpreisen eingerechnet werden. Zur Not mit einem Hebel im Gesetz.
Das Gig-System geht nicht mehr weg. Jetzt ist die Politik gefordert.