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Paul Auster: «Ein Waffenverbot wäre unwirksam»

In keinem Land der Welt gibt es mehr tödliche Schiessereien als in den USA. Das hat historisch damit zu tun, dass die Vereinigten Staaten durch Gewalt zustande gekommen sind.
Publiziert: 27.02.2024 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2024 um 11:26 Uhr
Bis auf die Zähne bewaffnet: Ein junger US-Amerikaner hantiert mit einem Gewehr.
Foto: keystone-sda.ch
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Farbiger Federschmuck oder cooler Colt – das war in meiner Kindheit die Frage, als wir im Garten noch unbekümmert «Indianer und Cowboy» spielten. Ich bekam von meinem Götti ein Tipi-Zelt, weil es mir die Ureinwohner Nordamerikas mehr angetan hatten. Doch eine silbern glänzende Pistole war auch nicht ohne. Später als Teenager traf ich zwei, drei Mal leidlich am Knabenschiessen, sodass es mir für Trostpreise reichte. Seither habe ich nie mehr eine Waffe angefasst.

«Ich hatte nie eine Schusswaffe besessen», schreibt der mehrfach ausgezeichnete US-Schriftsteller Paul Auster (77) in seinem eben erschienenen Essay. «Jedenfalls keine richtige.» Denn kaum den Windeln entwachsen, sei er zwei oder drei Jahre mit einem Revolver an der Hüfte herumstolziert. «Ich war Texaner, auch wenn ich in den Vorstädten von Newark, New Jersey, lebte, denn Anfang der Fünfziger war der Wilde Westen überall.» Bald schon tauschte er das Schiesseisen gegen Schreibstifte aus.

Mit diesem Buch schreibt Auster gegen die Schiesswut seiner Landsmänner an: In den USA mit ihren 331 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gibt es gegen 400 Millionen Schusswaffen – mehr als eine pro Mann, Frau und Kind. Gegen 40'000 Menschen kommen Jahr für Jahr durch Kugeln ums Leben – das sind über 100 pro Tag. «An jedem dieser Durchschnittstage werden weiter gut 200 durch Schüsse verletzt», rechnet Auster vor, «was auf 80'000 im Jahr hinausläuft.»

40'000 kommen in den USA auch bei Verkehrsunfällen ums Leben. Doch bei Amokläufen sage man stets, das seien verwirrte Einzeltäter. Auster: «Zu behaupten, Schusswaffen selbst hätten damit nichts zu tun, ist nicht weniger grotesk als zu behaupten, Autos hätten nichts mit Autounfällen (…) zu tun.» Es gebe allerdings auch einen fundamentalen Unterschied: «Schusswaffen existieren einzig zum Zweck, Leben zu zerstören, wohingegen Autos dazu hergestellt werden, die Lebenden von einem Ort zum andern zu befördern.»

Weshalb leben in den USA so viele Waffennarren, wieso tickt das Land derart anders als der Rest der Welt? Auster erklärt es historisch: «Die Vereinigten Staaten sind durch Gewalt zustande gekommen, haben aber auch eine Vorgeschichte, 180 Jahre in ununterbrochenem Krieg mit den Ureinwohnern des Landes, das wir ihnen weggenommen haben, sowie kontinuierliche Unterdrückung unserer versklavten Minderheit.» Zwei Sünden, für die das Land bis heute nicht gebüsst habe.

Sieht der heute in New York lebende Intellektuelle die Problemlösung in einem Waffenverbot? Überraschenderweise nicht: «Die Waffenbesitzer in diesem Land würden dabei nicht mitmachen», schreibt Auster. «Das Verbot wäre genauso unwirksam wie das 1919 erlassene Verbot für Alkohol.» Doch vielleicht müsste man nur die Minderheit der Bösen enteignen. «Wenn die Bösen keine Schusswaffe hätten, wozu würden die Guten dann welche brauchen?», fragt Auster.

Paul Auster

«Bloodbath Nation», Rowohlt.

«Bloodbath Nation», Rowohlt.

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