Hochzeit mit Maske
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Schriftstellerin Milena Moser:Hochzeit mit Maske

Schriftstellerin Milena Moser hat zum dritten Mal geheiratet
Honeymoon ist anders

Die erste Woche als Frischvermählte haben wir uns ehrlich gesagt ein bisschen anders vorgestellt. Honeymoon im Lockdown klingt doch eigentlich ganz romantisch. Aber die Einwanderungsbehörde hatte andere Vorstellungen.
Publiziert: 23.05.2020 um 15:12 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2020 um 11:07 Uhr
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Hochzeit in Corona-Zeiten: Milena Moser und Victor-Mario Zaballa haben in San Francisco geheiratet.
Foto: Instagram
Milena Moser

Ich bemühe mich gerade um eine Green Card, eine lebenslange Aufenthaltsbewilligung. Die Zeit drängt, die Bestimmungen ändern sich ständig – und nicht zu Gunsten der Einwanderer. «Einen Tag geb ich euch frei, dann heisst es wieder Formulare ausfüllen!», sagt die Anwältin streng. Sie hat die Angewohnheit, während unserer Videokonferenzen an einem billigen Kugelschreiber zu kauen, bis ihre Lippen blau sind. Je weniger zufrieden sie ist, desto eifriger kaut sie. Am Morgen nach der Hochzeit präsentiert sie uns eine vierseitige Checkliste. Und so krempeln wir die Ärmel hoch. Hektisch, bald beinahe panisch wühlen wir uns durch Berge von alten Akten, scannen dem Teufel ein Ohr ab, telefonieren in der halben Welt oder mindestens in der fernen Schweiz herum.

«Tut mir leid, ich kann keine Zeugnisse finden», meldet mein Sohn aus dem Kistenkeller. Das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis aus dem Jahre 1984, das mich als gelernte Buchhändlerin ausweist, ist leider der einzige behördlich akzeptierte Beweis dafür, dass ich in der Lage bin, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Als ob ich damit eine reelle Chance auf dem Arbeitsmarkt hätte! In meinem Alter bin ich ohnehin nicht mehr vermittelbar, aber das, meint die Anwältin, sollten wir den Behörden nicht unbedingt auf die Nase binden. Nächster Punkt: Habe ich ein offizielles Diplom, das beweist, dass ich passabel Englisch spreche, schreibe und lese? Nein, habe ich auch nicht. Die Anwältin schüttelt einen neuen Kugelschreiber aus der Schachtel wie eine Zigarette und schiebt ihn zwischen die Zähne. Zum ersten Mal verfluchte ich meine sorglose Vergangenheit. Warum habe ich mich nie um offizielle Diplome bemüht? Warum bin ich nicht länger zur Schule gegangen? Das habe ich nun davon, dass ich mir nie überlegt habe, wie mein Leben «auf dem Papier» aussieht.

Jetzt weiss ich es: «Nicht gut.»

Es erstaunt mich selber, wie sehr mich das trifft. Wie verunsichert ich mich fühle. Wie sehr ich mein Leben, das ich doch liebe, plötzlich in Frage stelle. Das Vorgehen hat etwas Erniedrigendes. Gleichzeitig ist mir bewusst, wie verwöhnt ich bin. Als Schweizerin habe ich das Gefühl verinnerlicht, mir könne nichts passieren. Beziehungsweise, ich hätte ein Recht darauf, aufgefangen zu werden, wenn ich hinfalle.

Wie muss es erst jemandem ergehen, der weniger privilegiert ist als ich?

Doch kurz bevor ich ganz verzweifle, muntert Victor mich wieder auf: «Vergiss nicht, dass Babys Sandwiches mitbringen», sagt er.

«Wie bitte?»

«Ein glückliches Ereignis zieht automatisch mehr Glück nach sich», erklärt er. Ich bin immer noch beim Bild eines Babys hängen geblieben, das eines dieser riesigen, saucentriefenden mexikanischen Sandwiches in seinen Händchen hält. Allein die Vorstellung bringt mich zum Lachen. Victor nickt zufrieden. «Wenn sich so viele Leute mit uns freuen, kann doch nichts schiefgehen.» Und tatsächlich, als wir die eidesstattlichen Erklärungen unserer amerikanischen Freunde vorlegen, die bestätigen, dass wir ein echtes Paar sind, legt die Anwältin zum ersten Mal den Kugelschreiber weg. Sie hat zwei solche Schreiben verlangt, wir haben zwanzig.

«Sehr schön», sagt sie. «Wirklich sehr schön.»

Das finden wir auch.


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