Jetzt, kurz vor Weihnachten, liegt über dem Mittelland eine dicke Nebeldecke und versperrt den Menschen tagelang die Sicht. Blindes Gezänk und Orientierungslosigkeit prägen die letzten Tage im Advent. Viele haben den Blick für das Wesentliche verloren. Ihnen und allen anderen, die Mut und Zuspruch bedürfen, rufen wir beherzt und deutlich in Erinnerung: Das Wichtigste ist die Gesundheit!
Das ist keine Redensart, keine Floskel, die man hier und da, dann und wann gedankenlos verbreitet. Hierzulande leben die Menschen nach diesem Grundsatz und in diesem Geist. Jeder weiss: Wenn die Gesundheit fehlt, dann fehlen auch die Möglichkeiten. Ohne Gesundheit werden die Lebensperspektiven weniger und enger. Das Leben wird klein.
Deshalb leitet die Sorge um die Gesundheit unsere Entscheidungen, im Privaten wie im Staat. Erst sie gibt unserem Streben eine Richtung und einen Sinn. Die Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt ist in der Schweiz ein Staatszweck. So steht es im zweiten Artikel der Bundesverfassung. Jedes öffentliche Handeln, in allen Bereichen des Staates, in der Legislative, der Exekutive und der Legislative, muss daran gebunden sein.
Die Milliarden, die wir in die Gesundheitsbranche investieren, sind gut investiert
Die Erfolge unserer Gesundheitspolitik sind unbestreitbar und beeindruckend. In den siebzehn Jahren zwischen 2000 und 2017 ist die Lebenserwartung um vier Jahre gestiegen. Acht von zehn Personen beurteilten 2017 ihren Gesundheitszustand als gut bis sehr gut. Die medizinische Infrastruktur ist dicht und in allen Regionen gut ausgebaut. Die pharmazeutische Industrie ist produktiv und innovativ. Ihre Medikamente werden mit jedem Jahr wirksamer, verträglicher und spezifischer. Die Kosten sind hoch und führen gelegentlich zu einem Murren, aber die achtzig Milliarden Schweizer Franken, die wir jährlich ausgeben, sind gut investiertes Geld.
Die Gesundheit ist das Wichtigste! Nach diesem Grundsatz leben wir. Sie ist die Grundlage für den politischen und wirtschaftlichen Erfolg unserer Gesellschaft. Und sie wird deshalb auch im kommenden Jahr der Massstab unserer Politik sein. Das gesundheitliche Wohlbefinden wird die Prioritäten setzen.
Die Förderung der Gesundheit ist Auftrag und Verpflichtung aller. Sie ist keine Frage der Parteipolitik. Und sie darf auch keine Frage des Einkommens sein. Deshalb sind wir nicht zufrieden mit den Ergebnissen von zwei Berichten, die das Bundesamt für Statistik vor wenigen Wochen, Ende Oktober, veröffentlichte. Zwei Studien untersuchten die Gesundheit der Bevölkerung in Verbindung mit der sozialen Ungleichheit. Dort steht, was niemand hinnehmen darf: «Im Gesundheitsbereich lässt sich ein sogenannter sozialer Gradient feststellen. Je ungünstiger die soziale Situation, desto schlechter der Gesundheitszustand. Dieser Zusammenhang wird durch Einflussfaktoren wie Bildungsniveau oder Einkommen geprägt, der Migrationsstatus kann diesen beeinflussen.»
Die Gesundheit ist das Wichtigste! Sie ist Staatsauftrag und persönliche Verpflichtung. Es braucht eine gemeinsame Anstrengung, um diese soziale Lücke zu schliessen und mehr Kinder, Frauen, Alte und Männer an den Vorzügen und den Fortschritten der Medizin profitieren zu lassen. Die Gesundheit ist das Wichtigste, deshalb orientiert sich die Bildungspolitik zuerst an der Gesundheit und nicht etwa an der Wirtschaft.
Zur Gesundheit gehört auch die Psyche
Gesundheit hat eine körperliche und psychische, aber darüber hinaus auch eine soziale Dimension. Jeder weiss es. Auch wenn man in der Lage ist, in weniger als zwei Stunden auf die Rigi zu rennen, kann man krank vor Einsamkeit sein. Die soziale Situation bestimmt über das Wohlergehen. Wesentlich ist deshalb nicht nur die medizinische, sondern auch die geistige und die soziale Infrastruktur. Es ist zum Beispiel Konsens, dass zu einer freiheitlichen Demokratie, zu einem Rechtsstaat, zu einer offenen Gesellschaft eine lebendige und qualitätsvolle Medienlandschaft gehört. Deshalb wird es im kommenden Jahr eine nationale Mediendebatte geben. Wir werden in einer gemeinsamen Anstrengung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus seiner misslichen Lage befreien. Wir dürfen ihn nicht totsparen. Durch den technologischen Wandel hat er einen grossen Teil seiner wirtschaftlichen Basis verloren. Jemand muss diese Ausfälle übernehmen. Daran führt kein Weg vorbei. Die Kosten sind nicht besonders hoch. Wir werden sie uns leisten, denn wir wissen: Die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten ist unverzichtbar für das soziale Wohlergehen und damit für die Gesundheit.
Und weil die Gesundheit das Wichtigste ist, kümmern wir uns nächstes Jahr auch um jene, die dafür sorgen, dass die Seele und das geistige Leben nicht verkümmern. Die Musikerinnen, die Schauspielerinnen, die Filmemacherinnen – wir brauchen die Künstlerinnen für unser Wohlbefinden. Deshalb werden wir sie im kommenden Jahr endlich aus der Falle der strukturellen Armut befreien. Ihre soziale Sicherheit war schon vor der Pandemie ungenügend. Die wenigsten Künstlerinnen haben eine beruflichen Vorsorge, und eine private können sich nur wenige leisten. Altersarmut ist weit verbreitet. Und Armut macht krank. Das Wichtigste ist aber die Gesundheit! Deshalb wissen wir auch in der Kulturpolitik, was die Vernunft uns gebietet und was zu tun ist.
Zur Gesundheit gehört Zusammenarbeit
Weil wir als Gesellschaft erkannt haben, dass die Gesundheit das Wichtigste ist, fällt es uns auch leicht, die Beziehungen mit dem Ausland und namentlich mit der Europäischen Union zu ordnen und mit frischem Mut zu beleben. In einer Pandemie erfahren wir, wie wichtig die transnationale Zusammenarbeit und gleichzeitig der Föderalismus das Gebot und das Mittel der Stunde ist. Die Regionen wollen über ihre Politik befinden und bestimmen. Und sie sollten ihre Politik mit den anderen Regionen koordinieren, ohne dass nationalstaatliche Grenzen ihnen dabei in die Quere kommen. Die Nordschweiz will sich mit Baden-Württemberg ins Vernehmen setzen, das Tessin und die Lombardei arbeiten zusammen, der Arc lémanique braucht die Vernetzung mit der Region Rhône-Alpes, der Franche-Comté und dem Elsass, dasselbe gilt natürlich für den Osten des Landes und für Vorarlberg. Es wird neue Staatsverträge brauchen, aber da die Gesundheit das Wichtigste ist, kennen wir die Richtung, die wir einschlagen müssen.
Die Gesundheit ist das Wichtigste! Arbeit und wirtschaftliche Prosperität gibt es nur, wenn der Gesundheit unsere erste Sorge gilt.
Weil die Gesundheit das Wichtigste ist, brauchen jene, die sie aus dem einen oder dem anderen Grund entbehren, die grösste Sorgfalt. Gerade in der dunklen Jahreszeit. Die Menschen mit einer schwachen Gesundheit brauchen unsere Zuwendung, unser Lachen, unsere Zuversicht und unser Engagement.
Die Gesundheit ist das Wichtigste! Wenn uns dieser einfache und befreiende Gedanke leitet, dann können wir auch diese Weihnachten mit Hoffnung feiern und voller Zuversicht auf das kommende, das neue Jahr blicken.